Von Jean Paul an Karl (d.i. Karl August Böttger, Böttiger) Augustini. Weimar, 17. August 1800.
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[Kopie]
Ihre Phantasie ist eine gut gefülte Montgolfiere, zu der Sie
blos363,30
das Schwerste zu erfinden haben, die Kunst des
Lenkens. Wenn Sie
auf der durch die Volksmenge unwegsamen
Autorbahn weitergehen:
so bitt’ ich Sie nicht Einen guten
Autor nachzuahmen sondern alle,
welches so viel ist als
keinen — nicht Portraits zu kopieren sondern
Originale, deren
jeder Mensch andere in sich trägt, anstat daß sonst363,35
Autoren stat ihrer Zustände die malen, deren Malerei ihnen schon bei364,1
andern gefallen. — Originalität, die an sich allein keinen
Werth hat,
weil jedes Schlechte und Gemeine das erstemal
originel war. — suchen
Sie im Schreiben das, was Ihre Amalie
hat, Schönheit.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Karl (d.i. Karl August Böttger, Böttiger) Augustini. Weimar, 17. August 1800. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=III_506
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K (nach Nr. 504): Augustini Leipz. 17 Aug. i: Denkw. 3,62. B: IV. Abt., III.2, Nr. 414. A: IV. Abt., III.2, Nr. 417.
Angekommen 22. Aug. Der Adressat hatte in B (von dem der Hauptteil fehlt) anscheinend seine traurige Lage geschildert und um Rat gebeten. Nach A war er Student der Theologie in Leipzig, wollte aber zur Medizin übergehen und sich die Mittel dazu durch Schriftstellerei erwerben, hatte auch bereits ein Werk unter der Presse, „Oswald, oder das Häuschen im Schwarzwalde“, das dann unter dem Pseudonym Karl Augustini, unter dem er auch an Jean Paul geschrieben hatte, 1801 in Chemnitz erschien, später mit seinem wahren Namen Karl August Böttiger (den Richter von Thieriot erfuhr) u. d. T. „Mein Leben in romantischem Gewande“, Gießen 1805. Nach A riet ihm Jean Paul, statt der Dichter lieber Philosophie, Mathematik, Astronomie zu studieren, wies ihn an Thieriot und wünschte ihm baldige Vereinigung mit seiner Braut Amalie. Vgl. I. Abt., XVI, 421 (Nachschule, § 1).