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Korrespondenz

Von Jean Paul an Christian Otto. Meiningen, 26. Juni 1801 bis 29. Juni 1801.

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81,19
M[einingen] d. 26. Jun. 1801.
81,20

Mein guter Otto! Dein gestern eingelaufner Brief — wie schön
ist jezt unsere epistolarische Nähe — hat mir einige Schmerzen mit
gebracht, die ich gern in mein Herz aufnehme, das ohnehin nicht weis,
warum es kleinere haben sol als du, Schuldloser —


d. 29. J.
81,25

und der beinahe für oder durch 2 Brüder leidet. Ist deine Aussicht
für Friederike so: so dächt’ ich, müste sie das katheder-hölzerne Herz
wegschleudern, auch wenn kein Prozes ihr Ein[ge]brachtes verbrächte.
Die Arme! — Aber so sind kleine Städte; der enge Raum gönt wenig
Wahl und darum geschieht sie ohne Vergleichung und ohne Foderung;81,30
in grossen macht der lange Blumenflor des Reizes und Werths be
dächtiger. — Mit Freuden schreib’ ich; — an Alvensleben gehts nicht,
weil ers doch dem Hardenberg überträgt —; aber sage mir nur
des leztern Wohnort und den bestimten Inhalt meines Gesuchs,
damit du nicht dabei leidest. Dürft’ ich ihn nicht um ein Gespräch82,1
mit dir ersuchen? Du wirst ihm gefallen und er dir. — Schonen must
du nun den Lügner C[hristoph] auf F[riederikens] Kosten nicht,
es mus alles gesagt werden; aber du begiengest — aus Knebel’s
Furcht der Gefühle, der anscheinend-schlimme Briefe Monate lange82,5
verschlossen lässet — den Fehler, daß du lieber übersahest, um nicht
zu sehen und zu fühlen. Die Friederike ist durch einen warmen Bericht
gewis zuerst zu retten. —


Meine Briefe gieb blos irgend einem herfahrenden Passagier
mit. —82,10

Wie glüklich ich bin, soltest du freilich lieber sehen als lesen. Meine
C. — die Aller Liebe gewint, der Männer durch ihre Schönheit, der
Weiber durch eine bezaubernde und wahre Güte — zwingt mich
durch Glük zur Zufriedenheit, wir haben den Ort zum Freunde. Ihre
fast zu grosse Gleichgültigkeit gegen das Auswärtsleben, ihr Ver82,15
senken ins stille Arbeiten, ihre himlische feste jungfräuliche Liebe, ihr
unbedingtes Hingeben in meinen Willen, das macht unsere Liebe
jezt jünger als anfangs da sie blos jung war; und ich fühle, daß
die Ehe etwas Heiliges und Himlisches ist. Auch fallen die Fehler wie
Haare aus meinem Felle — blos weil man nicht widerhaarig sie82,20
auszupft — und sonst übrigens (da ich in manchen Lustpartien ein
Halbgott bin, was ich nie mir je geträumt und was freilich jezt ein
Licht und Stern unter dem Scheffel bleibt) ists überhaupt eine wahre
Lust, wenn man mich zu einer Zeit blühen sieht — neben der Blüte —,
wo 1000000000000 andere abblühen. Darüber mündlich und sicht82,25
lich!


Ich könte jezt sogar in Bayreuth wohnen, da ich keine Geselschaft
wünsche als die etwas bessers ist als eine. — Über das Kanonikat
hat mir Alvensleben, der sich des Scheins vom Erfolge seiner Ver-
wendung schämte, alles über jenen und diese gesagt; „es sei nur82,30
Sprache beim König und ich brauchte mich nicht einmal um die
kleinste Kleinigkeit zu sorgen“ — An neuen Büchern fehlts hier, und
an Einem (wer verlangt 2?) Menschen von höherem Geist, aber gut
herzig ist alles und Bücher sind mein Geniecorps und bureau d’esprit
Die Aerzte sind treflich; überhaupt kenn ich noch nicht die Bürger- 83,1
lichen; und das Meiste sizt in Liebenstein, dem Badort. — Der ganze
künftige Monat ist schön, Gott schicke mir dich oder Emanuel;
ansonsten komm’ ich im Herbste selber mit C. Lebe wohl, mein alter
immer gleich geliebter Freund! Wie ich das Schiksal kenne, das alle83,5
Kothmonate des Lebens mit Blumen- und Erntemonaten und -monden
ergänzt und begränzt und rechtfertigt, so schlägt gewis dein Glük
einmal in volle Blüten aus. Nenne ja bei allen deinen Aufsäzen
immer deinen Namen und schreibe mir ihren Namen und Ort.


Bei der Geheimen Räthin v. Zink haus’ ich. 83,10

Urtheile über meine opera novissima.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Christian Otto. Meiningen, 26. Juni 1801 bis 29. Juni 1801. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_154


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 160. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 4 S. 8°. K: Otto 30 [aus 26] Jun. J 1: Wahrheit 6,204×. J 2: Otto 4,35×. J 3: Nerrlich Nr. 88×. B: IV. Abt., IV, Nr. 150. A: IV. Abt., IV, Nr. 157. 81,34 des leztern] aus seinen H 82, 4 Knebel’s] aus Knebel’scher H 12 Aller] aus aller H 25 1 000 000 000 000] nachtr. H 28 eine] keine K 29 vom Erfolge] nachtr. H 34 Büreau K

Die Stelle in B, auf die sich der Anfang bezieht, ist im Druck weggelassen; s. aber Nr. 169. 81, 27 das katheder-hölzerne Herz: Wernlein; vgl. 73, 9f. 29f. Vgl. II. Abt., V, 170,26–28. 82, 30f. Vgl. die in Henriette Herz’ Erinnerungen, S. 172f., mitgeteilten ziemlich abfälligen Äußerungen des Königs über Jean Paul. 83, 1 Ärzte: Dr. Friedrich Jahn (1766—1813) und Dr. Joh. Friedr. Christian Panzerbieter (1756 bis 1810). 8f. Vgl. 59, 11f.