Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 29. September 1803.
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Sonnab. 31. [!]
Vor allen Dingen laß mich Gott danken, daß ich einmal dasitze am
Schreib
tisch wie ein Mensch, der einen
freundschaftlichen Brief schreiben will, ruhig und
gelaßen,
und nicht mit wilden Geberden dem Abgang der Post entgegen sehend
und eilend. Du nicht, sondern ich bin der Narr, der sich immer
den schönsten Aktus
der Freiheit zum Zwang macht, die Liebe
zur Gêne, einen Briefwechsel zum241,25
Wechselgeschäft. — Ja indem ich jetzt (Abends um ½6) die Feder
wieder nehme,
ist es schon alle mit der Ruhe — denn die Post
muß um 6 bestellt seyn — und ich
fliege wieder zwischen Angst
und Pein:
Inzwischen sitzt diesmal Richter dabei und verspricht mir
beizuspringen —
aber folgendermaßen: „ich soll einen Perioden
anfangen und bis zu ¾ konti241,30
nuiren,
worauf Richter zu seiner Zeit hineinfahren wird.“ — hineinfahren, schrieb
ich, und eben fuhr der Windbeutler gar zur Thür hinaus — zu
Ortloff glaub ich,
und ich sitz’ allein auf meinen Kohlen da.
Allemal hab ich doch seine Hand an mir, und kann mir selber
weismachen, ich
führe jetzt fremdhändig fort:241,35
Ich habe dir jetzt nichts mehr zu sagen, lieber Emanuel, als daß
es bei
meinem vorgestrigen Versprechen bleibt — fals Richter
das seinige respektirt
und nach Bamberg geht. Das Bier war
wohl das köstlichste was je
nach Meiningen gekommen; für ein weiches Herz war es
ordentlich
242,1
ein Kordial, das erste Glas trinken und den .. Geber — nicht
den
Brauer — segnen zu hören. Ich trank mein Theil. Ich
sehne mich ordentlich
nach Baireuth an die Quelle. — Ueberhaupt
war ich diese Zeit über innerlich
nur auf Urlaub, und noch bei
Dir zu Hause und so will ichs immer bleiben —242,5
Sonst war
es wohl eine schöne Zeit an einem schönen Ort, was ich hier verlebte.
Zwanzig Bazen Tranksteuer kostet ein fremder Eimer Einfuhr;
und treibt das nicht aus Koburg nach Bayreuth: so vermögen es
doch
andere Dinge, die hier auseinander zu setzen der Ort
vielleicht wäre.
Gott gebe daß Ihr aus diesem Briefe klug werdet oder der Brief
es aus Euch.242,10
Laßt uns bald Nachrichten haben. Richter
grüßt und ich detto
Emanuel, ich grüße Sie, innig
Caroline
P. S. Richter scheint sehr froh über das Bier und fast
zufrieden damit242,15
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 29. September 1803. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_408
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin JP. 4 S. 8°. Vermerk Emanuels: Am 4ten Oct. n[ach] Bamberg beantw. (H: Berlin Varnh.) A (an Jean Paul): Nr. 301. 241,28 Pein] aus Peinheit [?] 30 anfangen und] nachtr. 35 fremdhändig] aus eigenhändig 242,3 Ich trank mein Theil.] nachtr.
Das Großgedruckte ist von Jean Pauls Hand, s. das Faksimile. Thieriot hatte seine schon von Natur ähnliche Handschrift der Jean Paulischen bis zum Verwechseln angeglichen. Er hatte in dem vorhergehenden Brief an Emanuel (Nr. 407) versprochen, am 6. Oktober in Bamberg zu sein, wohin Emanuel kommen sollte.