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Korrespondenz

Von Jean Paul an Christian Otto. Berlin, 12. März 1801.

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B[erlin] d. 12. März 1801.
53,5

Mit Freuden that ich deinen Willen, ob mir gleich Ahlefeldt wenig
Glük wünschte. Die Exekuzion ist inhibiert. Nur Hardenberg ent-
scheidet hier. Ich schrieb an ihn und bekam ausser der beiliegenden
diese mündliche Antwort: „Der König hab’ es ihm gesandt — er
„habe etc. inhibiert — auch habe die Kammer nur eigenmächtig die53,10
„Exekuzion eingelegt — es sei alles in seinen Händen und in salvo
„und er werde thun was er könne — es sei schon unter dem Marg-
„grafen geborgt“ (als Milderungsgrund). Ob er gleich bei seinem
herlichen energisch-feinen und offenherzig-öfnenden Gesicht eben so oft
eine ofne Falthüre sein mag: so trau’ ich ihm doch diesmal ganz. Das53,15
Liebste war mir, daß ich dich ihm recht portraitieren konte. (Denn er
zog mich sogleich als er erschien, aus dem dicken diner-Kongres in
ein anderes Zimmer und nur ein interveniens schied uns) Er sagte,
„er kenne dich nur aus einem Aufsaze, aber daraus leuchte schon das
„und das hervor. (Welcher ists?) Und solche Leute brauche eben der53,20
„König.“ Bei irgend einer wichtigen Vakatur trit geradezu vor! —

Wegen meiner Geschäfte und Freuden konte mich nur die Pflicht
bewegen, dir schon jezt zu schreiben. Der Rest bleibe also einer. — Die
Kalb ist eine einfältige Lügnerin; so plauderte sie mir ein ⅔ ihrer
Briefe ab mit Wortbruch. Ohne meine umkehrende — da doch mein53,25
Name mehr gemisbraucht werden kan als ihrer — kehren ihre nicht
um. Hier hab’ ich nichts, und nur ⅓. — Sei über das Merkur-Nein
froh; denn er giebt nie Honorar, aus Absaz-Mangel. Leichter gienge
eine Samlung in Ein Buch. — Erst zur Messe komt der Titan. — Ich
gehe (wenn mir nicht der König etwas giebt, was ich in Bayreuth ver- 53,30
zehren mus) nach Meinungen entschieden; auch die Schlabrendorff,
von der sich Ahlefeldt durch meine Vermittelung (weil er ein er-
bärmlicher Simultanliebhaber ist, aber nicht aus deinen vermutheten
Gründen) geschieden hat. — Ich achte sie immer mehr. Sie ist die
Freundin meiner Caroline, die auch von der Krüdner unendlich geliebt 53,35
wird. Über meinen Engel C. kan ich in dieser Kürze nichts sagen; es
ist des Guten zu viel. — An die Königin sandt’ ich einen Geburts- 54,1
tagswunsch; schick ihn wieder. — Herold gab dir doch die Briefe, die
du mir durch Bertram hättest senden können? — Hardenberg bat
alle am Tische, das Gerücht der Vertauschung Bayreuths etc. zu wider-
legen. — Du bist mir jezt 2 lange Antworten schuldig. — Ich bin ob54,5
ich gleich jezt 14 Tage hinter einander (kaum 2 Abende ausgenommen)
an fremden Tischen diniert und soupiert habe, doch noch auf den
Beinen und am Schreibetisch — und dabei das Abendfeuer der Liebe
und den Wein und kein Bitterbier — „welch’ ein Herkules!“ wirst
du sagen; ja wohl, Lieber!54,10

Mein Emanuel sei von meinem ganzen Herzen gegrüsset. Seine
Schuld ist quittiert. — Auch unsere liebe Amöne grüss’ ich warm;
hab’ ich nur einmal Zeit, mich niederzusezen, so schreib’ ich ihr und
Fried[eriken]. Lebe wohl, mein innigst Geliebtester! —


Richter
54,15

Im Mai fahr ich von hinnen.


d. 14 M. heute lies mich der Minister und der Kronprinzenhofmeister
wieder einladen zum Essen; aber ich war schon bei der schönsten und
gebildetsten Gräfin Voß versagt: aber schlug es beiden ab, weil ichs
dieser in dieser Woche schon 2 mal abgeschlagen.54,20

Der Kaiser Paul komt zur Revue; er hat die Königin kaiserlich
beschenkt.


Zitierhinweis

Von Jean Paul an Christian Otto. Berlin, 12. März 1801. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_97


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 101. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 4 S. 8°. K (nach Nr. 90): Otto 15 [!] März. J: Nerrlich Nr. 84×. B: IV. Abt., IV, Nr. 89. 53, 14 herlichen] nachtr. H 21 trit] aus trete H vor] aus ein H 24 ⅔] aus ½ H 33 aber bis 34 Gründen] nachtr. H aus] aus nach H 35 Krüdner] davor gestr. franzos H 54, 11f. Seine Schuld] aus Sein Konto H 17 und der Kronprinzenhofmeister] nachtr. H

Otto hatte neuerdings um Jean Pauls Verwendung zugunsten Herolds gebeten, s. zu Nr. 76. 53, 23–25 Charlotte v. Kalb hatte Otto gebeten, ihr ihre Briefe an Jean Paul ohne dessen Wissen zu schicken gegen Rückgabe; vgl. IV. Abt. (Br. an J. P.), III.1, Nr. 180. 33f. Otto hatte gemeint, die Schlabrendorff werde mit dem sentimentalen Ahlefeldt gewiß nicht glücklich werden. (Die Stelle ist im Druck von B wahrscheinlich unvollständig.) 54, 3 Bertram: s. zu Nr. 35. 4 Vertauschung Bayreuths: 1803 trat Preußen mehrere Bayreuther Ämter an Bayern ab und erhielt dafür Bamberger, Würzburger und oberpfälzische. 17 Minister: Hardenberg; s. Nr. 94†. Kronprinzenhofmeister: Delbrück, s. 49, 18†. 19 Gräfin Voß: nicht die bekannte Oberhofmeisterin, sondern die Tochter der Frau v. Berg, s. zu Nr. 127.