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Korrespondenz

Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Leipzig, 20. Februar 1783.

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Hocherwürdiger und Hochgelerter Herr,
Hochzuvererender Herr Pfarrer,

Aller Anfang ist schwer. Mir wird es wenigstens der Anfang eines 53,25
Briefs, zu dessen Anfüllung sich hundert Materien anbieten, bei denen
die Auswal so schwer und die Unordnung und Weitläuftigkeit so un
vermeidlich ist. Vergeben Sie mir also meine Langweiligkeit, noch eh’
Sie sie empfinden.


Sie vermuteten vielleicht, daß ich in einem Stilschweigen beharren53,30
würde, das nur durch seine Dauer unverzeihlich wird; und daß ich un
fähig sein würde, diesen Feler zu verbessern, weil ich fähig war, ihn
zu begehen. Diese Ihre Vermutung mag meine härteste Strafe sein;
um aber einer noch härtern auszuweichen, verbessere ich ienen Feler,
indem ich ihn zu — entschuldigen suche. 53,35


Es ist sonderbar, daß ich mich im vorigen Jare eben desselben Stil54,1
schweigens, um eben diese Zeit, in eben den Umständen und wegen eben
der Ursachen schuldig gemacht. Erlauben Sie mir daher die Wieder
holung einer Entschuldigung, von der ich mir die Wiederholung Ihrer
Verzeihung verspreche. — Ich verlies Hof im vorigen Jare von der 54,5
Hofnung, es in Leipzig zu vergessen, und von den schönen bunten
Träumen begleitet, mit denen die leichtgläubige Phantasie die ferne
Zukunft so gerne zu verschönern pflegt. „Niemand, dacht’ ich, ist
„glüklicher wie du. Dein Lob der Dumheit trägt dir 100 rtl. ein. Davon
„lebst du einen Sommer, obwol dein Buch kaum so lang leben wird. 54,10
„Aber dafür schreibst du auch ein andres auf die künftige Messe, mit
„dem mer Geld und weniger Tadel gewonnen werden sol. H. Professor
„Seidliz wird dir deinen satirischen Abortus schon verhandelt haben,
„und dir bei dem ersten Besuche den Schreiberlon einhändigen.“
Allein H. Prof. Seidliz hatte den satirischen Abortus nicht verhandelt, 54,15
und konte mir also auch, wie natürlich, nicht beim ersten Besuche den
Schreiberlon einhändigen; doch hatte er die Güte, das Buch seinem
Pulte so lange zu gönnen, bis die Zeit, in der es auf die Michaelis
Messe hätte gedrukt werden können, halb verflossen war. Nun hatt’
ich das Buch, aber keinen Verleger. Ich durchlas es zur Stillung 54,20
meines Unmuts noch einmal, und nun dankte ich Got, daß ich keinen
Verleger hatte. „Da lieg’ im Winkel, sprach’ ich mit patetischer Mine
„zum kleinen Richter, wo die Schulexerzizien liegen; denn du bist
„selbst ein halbes. Ich wil dich vergessen: denn die Welt würde dich
„onehin vergessen haben. Du bist zu iung, um alt zu werden, und die54,25
„Milchhärgen deines Kins lassen mich nicht hoffen, ie an deinem
„Kopfe graue Hare zu erleben.“ Aus diesem zornigen Entusiasmus
erwekte mich meine rechte Hand, die von ungefär in die Hosentasche
zum leren Geldbeutel gekommen war. Zu der Hand schlug sich noch
mein Magen, der durch sein murmelndes Veto der ganzen Ent54,30
schliessung eine andre Wendung gab. Kurz ich unternam nach einer
vergeblichen Arbeit eine mühsame, und schuf in sechs Monaten, nicht
in sechs Tagen, einen nagelneuen Satir, so wie Sie ihn hier beigelegt
finden. — Vielleicht glauben Sie, ich habe noch nichts zu meiner
Entschuldigung gesagt; allein ich glaube, daß ich schon alles gesagt54,35
habe. Denn denken Sie sich die Ängstlichkeit, mit der man nach einem
Gute strebt, dessen Mangel die Zukunft mit noch grössern Schrekken
ausrüstet als die sind, womit er die Gegenwart verbittert — denken 55,1
Sie sich den verdrüslichen Misklang zwischen dem Belachen fremder
Torheiten und dem Unmut über das eigne Schiksal — denken Sie sich
den hindernden Streit meiner Empfindungen mit meiner Arbeit, und
den Aufwand an Zeit und Mühe, die man einem solchen Geschäfte 55,5
aufopfern und iedem andern entziehen mus — denken Sie sich zu
meiner anfänglichen Hofnung, mein schon angefangnes Stilschweigen
durch die gewisse Nachricht vom Schiksale meines ersten Buchs
unterbrechen zu können, die Scham hinzu, alles mislungen sehen, die
gehofte Entschuldigung entberen und von Ihnen Schlüsse aus dem 55,10
Mangel des Verlegers auf den Unwert des Buchs befürchten zu
müssen — und denken Sie sich endlich noch meinen Vorsaz, den Feler
zu vergrössern, um die Verzeihung desselben zu erleichtern, d. h. mein
Schreiben bis auf die Endigung des Druks der Skizzen zu ver-
schieben, damit ich durch die Überschikkung desselben Buchs Ihren 55,15
Unwillen heben möchte, das ihn veranlast hat — denken Sie sich dieses
alles, so werd’ ich nichts mer hinzuzusezen und Sie wenig mer zu
tadeln nötig haben. — Trägheit werden Sie umdeswillen bei mir
nicht vermuten, weil ich unter allen Sachen Briefe am liebsten
schreibe, wenn sie nämlich an Freunde und nicht an Gönner gerichtet 55,20
sind; und unter allen Briefen die am liebsten, die an Sie gehören.
Auch müste die Trägheit ser gros sein, über die die Hofnung Ihrer
Antwort nicht siegen solte. Denn Sie können mir ia Ihre Briefe
nicht wolfeiler geben als für die meinigen, meine nicht teurer be
zalen als mit den Ihrigen. Amen! — 55,25

Gotlob! nun ist der steile Berg erstiegen; ich ziehe den Hut ab und
das Schnupftuch heraus, und wische mir den Schweis von der heissen
Stirne. Nun darf ich wieder mit meiner gewönlichen Freiheit an den
Freund schreiben, den ich mir durch das Vorige wo nicht verschaffen,
wenigstens versönen muste. Nun glaub’ ich durch eine süsse Täuschung 55,30
nicht auf meiner, sondern auf Ihrer Stube zu sein; ich glaube, Sie zu
umarmen, Ihre Hand zu drükken und Sie in meinen nassen Augen die
Erinnerung Ihrer vergangnen Woltaten lesen zu lassen, so wie ich in
den Ihrigen die Vergessenheit des vergangnen Felers lese. — Nun
genug über das Briefschreiben; und etwas über das Bücherschreiben! 55,35

Mein Buch hat tausend Feler, und ist mit Gleichnissen, wie das Lob
der Dumheit mit Antitesen überladen. Ich könte aus demselben one
Mühe ein Regiment von 600 Gleichnissen ausheben, und mein Satir 56,1
kommandirt mit seiner Geissel lauter Gedanken, von denen ieder sich
mit einem Bilde schlept, wie in den persischen Lagern ieder Soldat eine
Hure, und der König soviel Huren als Soldaten mit sich fürt. „Du
„machst es klug, denken Sie vielleicht; um nicht von andern getadelt zu 56,5
„werden, tadelst du dich selbst, wie Missetäter, um nicht gehangen zu
„werden, sich im Gefängnisse selbst hängen und stat des Galgens einen
„Nagel, stat des Striks ein Strumpfband wälen. Durch eine auf
„gefangne Kritik glaubst du dich vor ieder andern Kritik wie der aber
„gläubige Bauer vor den Donnerkeilen durch denienigen gesichert, den 56,10
„er von ungefär gefunden und nun bei sich in der Tasche fürt.“
Vielleicht denken Sie auch anders. Ich halte den Überflus an Gleich
nissen wirklich für einen Feler; aber kan kalte Kritik den Reiz der
Unmässigkeit besiegen? Verkent dort der Weinsäufer mit der roten
Nase die giftigen Kräfte des überflüssigen Weins? Er kent sie wol; 56,15
aber er flieht sie darum nicht. Eben so verträgt sich die kalte Mis
billigung der Bilderverschwendung mit der warmen Liebe derselben.
Es war einmal eine Zeit, wo mir die Warheit weniger als ihr Puz,
der Gedanke weniger als sein Bild gefiel, wie der iunge Maler die
Natur ihrem Bilde auf der Leinwand nachsezt, und vielleicht seine 56,20
Geliebte für ihr Portrait hingäbe, oder gar den sterbenden Christus
von Rubens dem Christus vom Mattäus gleichschäzte. Sagt doch
Pope, daß Juden das silberne Miniatürkruzifix am Halse seiner
Belinde, gerne angebetet hätten — dazu nämlich nicht durch das
atanasianische Glaubensbekentnis, sondern durch das viellötige 56,25
Silber bewogen. — Wie ich doch radotire! Ich kan meine Feler
nicht einmal so lange ablegen, als ich sie tadle. — Ein Buch one
Schönheiten ist gewis ein schlechtes; aber eines one Feler ist darum
noch kein gutes, ia Toussaint behauptet, daß ein solches, wenn es
wirklich existirte, ein mittelmässiges sein müste. Jeder Autor solte das 56,30
auf sein Buch anwenden, was Mäzen vom Menschen sagt:

Debilem facito manu,
Debilem pede, coxa,
Tuber adstrue gibberum,
Lubricos quate dentes,
(bedeuten bei einem satiri56,35
schen Buche die verfelte Ironie)
Vita dum superest, bene est.

Übrigens liegt wenig daran, ob mein Junge am geschwinden 57,1
Schlagflusse oder an der langsamen Schwindsucht stirbt und zu seinen
Brüdern versamlet wird d. h. ob das Buch mit zehn oder zwanzig
Felern vergessen wird. Denn vergessen wird es doch einmal.


Pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas 57,5
Regumque turres.

D. h. verdolmetschet, Folio- und Duodezbände stossen im Kramladen
endlich auf einander und geben für den Pfeffer zugespizte Pyramiden
ab, so wie im Gegenteil die ägyptischen Könige in Pyramiden be-
graben wurden. Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen, vielleicht 57,10
auch der Lorber nicht.


Gegen den Nuzen der eignen Kritik läst sich immer genug ein
wenden. Die Feile — wer hält nicht vor dem widrigen Knarren dieses
Instruments seine Oren zu? — die Feile erzieht, aber erzeugt nicht
Schönheiten, und Shandy hat Recht, dem Augenblikke des Emp- 57,15
fängnisses eines Kindes mer Wichtigkeit als iedem andern Zeitpunkt
seines Lebens zuzuschreiben. Nicht blos der Dichter, auch sein Gedicht
wird geboren und nicht gemacht. Jupiter zeugte die Götter, allein
die nichtgötlichen Wesen machte er nur; diese waren das Werk
seiner Hände, iene seiner Lenden und Minerva gar das Werk seines 57,20
Kopfs. Übrigens gleicht das Genie dem Amor; es ist geflügelt, aber
blind; und wenn’s hoch kömt, so fült es, wie die Polypen, das kritische
Licht, aber sieht es nicht. Es kan wie Könige nur Reiche erobern, aber
nicht regieren. Oder sol es das leztere? Nun so hätte auch Alexander
alle die Selenkräfte eines Weltbezwingers in die Beherschung57,25
bäotischer [!] Mazedonier einzäunen müssen. Allein dan hätt’ er auch
die halbe alte Welt nicht erobert und keine neue verlangt. Die Kritik
macht die Anzal der Feler zwar kleiner, aber auch die der Schönheiten;
denn die Zeit, in der das Genie verbessert, verkürzt die, in der es
schaffen könte, und das zu langgesäugte Kind raubt dem Embryon die 57,30
Narung. — Und was wäre endlich törichter, als wenn Pygmalion
seinen Meissel auf die weiche Brust seiner atmenden Statue sezte,
um die zu grosse Brustwarze zu der Kleinheit zuzuspizen, die Winkel-
man im ersten Teile seiner Geschichte der Kunst, als den ersten Reiz eines
schönen Busen den Künstlern angepriesen! Nein, der entzükte Schöpfer 57,35
wird, stat einer so kalten Kritik zu frönen, sich an die schlagende Brust
seines Geschöpfs anschmiegen und über die Liebe die Kunst vergessen.
„Ohe! iam satis est!“ werden Sie rufen. Nur dies noch. Mit ienem 58,1
ganzen langen Geschwäz entschuldige ich freilich nur das Genie, und
nicht seine Nachamer. Diese dürfen sich nicht die Feler von ienem
erlauben; diese sind die Glieder, von denen ienes das Haupt ist — allein
die Regeln der Reinlichkeit verzeihen nur dem Kopfe die Hegung eines 58,5
bekanten Ungeziefers, aber nicht den übrigen Gliedern. — — —


Ich schikke Ihnen mein Buch, nicht nur um Sie an Ihre Woltaten
zu erinnern, sondern auch um Ihre Kritik darüber einzuholen d. h.
vielleicht, ich bin so eigennüzig, damit Ihre Woltaten nicht vergelten,
sondern vermeren zu wollen. In Ihrer Kritik oder was einerlei sein 58,10
wird, in Ihrem Tadel, auf den [ich] mich freue, weil der Ihrige nicht
schmerzhaft allein, sondern auch unterrichtend ist, wie H. Kantor
Grässel in Schwarzenbach den Jungen die Buchstaben mit demselben
Stokke zeigt, mit dem er sie prügelt — in Ihrem Tadel vergessen Sie,
wenn ich Sie bitten darf, vorzüglich nicht, über die Deutlichkeit oder 58,15
Undeutlichkeit meiner Skizzen zu entscheiden. Freilich kan man das
Samenkorn nicht immer so aussäen, daß das Wurzelkeimgen nach der
Erde und das Stengelkeimgen nach dem Himmel sieht. Entscheiden Sie
ferner, ob die Satire nicht zu bitter ist. Ich glaube übrigens, daß von
der Bitterkeit die Satire wie das Bier, ihren Wert bekomt; nur glaub’58,20
ich nicht, daß man wie manche Autoren die Bitterkeit gleich den
Bauern, in Ermanglung des bömischen Hopfens durch Kühnrus und
Ochsengalle hervorbringen dürfe. Entscheiden Sie endlich, ob nicht
zu oft schimmernder modischer Bombast die Stelle der nötigen Ein
bildungskraft einneme und ob das ganze Ding nicht gewissen Vögeln 58,25
(Penguin) gleiche, die glänzendes Gefieder und kleine nakte Flügel
haben. — Dies ist gewis, wenn das Buch eine schlechte Satire auf
andre ist, so ist es die beste auf mich. So giebt der Offizier alle Streiche
den Soldaten wieder, die die Spiesrute über den gassenlaufenden
Mitkameraden mit Menschlichkeit geschwungen und einen fremden 58,30
Rükken auf Kosten des ihrigen geschonet. Allein der Rezensenten hab’
ich nicht geschonet, ob man gleich von ihnen die Ausübung des Jus
talionis
besorgen mus; obgleich manche Autoren sie, wie die Mexi-
kaner die Flöhe anbeten, um von beiden nicht zu Nachts gestochen zu
werden. Aber ich schreibe ia gar ein Buch über ein Buch; wie Martorelli 58,35
über ein antikes Dintenfas wer weis wie viele Dintenfässer ausgeleret:
denn er gab über dasselbe zwei grosse Bände in Quarto heraus. — —


Haben Sie das exegetische Werk schon beendigt, dessen Vortreflich- 59,1
keit Sie mich blos einmal durch einzelne Bruchstükke kennen lerten?
Wenn es schon das Licht der Welt erblikt hätte, so verzeihen Sie mir,
daß ich von seinem Rume noch nichts weis — denn ich bin ia kein
Teolog mer, sondern aus dem Paullus ein Saulus geworden. Sie 59,5
werden sich auch unserer ehmaligen Verabredung in Rüksicht des Ver
legers erinnern. Dem meinigen möcht’ ich gar zu gern für seine Güte
dankbar sein. In dieser Tugend könten Sie mich unterstüzen, ob Sie mir
gleich die Vernachlässigung dieser Tugend gegen Sie vorrükken könten.
Sol ich endlich merere schlechte Bücher schreiben, als Sie gute? — 59,10

Eben fält mir aus dem lezten Ihrer schönen Briefe Ihr Versprechen
ein, mich für ein Jar von 365 Briefen mit einem Schaltjar von
Briefen zu belonen. Sie sind mir also, wenn wir das beiderseitige
iärliche Stilschweigen abrechnen, noch 1. Brief schuldig. Auch hätt’ ich
meinen Feler gewis nicht so ser vergrössert, wenn Sie ihn einmal durch 59,15
etwas anders als Ihr Stilschweigen bestraft hätten.


Verzeihen Sie übrigens, daß ich in diesem Briefe von niemand als
von mir geschrieben — ich bin sonst kein Engländer, der sein Ich mit
einem grossen Buchstaben schreibt — Verzeihen Sie, daß die Güte des
Drukpapiers des beigelegten Exemplars sich so ungleich ist — ich59,20
konte nämlich die Beendigung des Druks kaum erwarten, und schikte
gleich das erste, aber vielleicht nicht das schönste Exemplar zum Buch
binder. Und wie kont’ ich noch länger zögern, mich bei Ihnen aus dem
Verdacht der Undankbarkeit zu reissen? — Verzeihen Sie, daß ich
Ihnen soviel Langweile gemacht, und verzeihen Sie endlich, daß Sie 59,25
soviel auf einmal zu verzeihen nötig haben.


Empfelen Sie mich Ihrer vortreflichen Gattin, und küssen Sie
an meiner stat den Nikolai in nuce, und auch die übrigen Kleinen, die
keine Nikolaiten sind. Zu so vielen Bitten wag’ ichs nicht noch die
Bitte hinzuzufügen, mich zu empfelen vorzüglich dem Hern D. 59,30
Doppelmaier und dem Hern Pf[arrer] in Schwarzenbach und dem
Hern Aktuar Vogel und dem H. Gefatter Werner. Auf alle diese
Bitten sei diese das Siegel: schreiben Sie mir bald einen langen langen
Brief. Leben Sie wol und lieben Sie den, der nie auf[ge]hört hat zu sein



Ihr
Leipzig den 20 Febr. 1783.
gehorsamster Diener und Freund J. P. F. Richter


N. S. Mein Logis ist in dem Gasthofe zu den 3. Rosen, in der 60,1
Petersstrasse.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Leipzig, 20. Februar 1783. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_33


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956. Briefnr.: 33. Seite(n): 53-60 (Brieftext) und 433-435 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Brit. Museum. 8 S. 4°. K 1 (Konzeptanfang): 2. An den Pfarrer in Rehau 1 Februar. K 2 (Konzept, am Schluß Kopie): An Vogel in Rehau den 20 Febr. J 1: Wahrheit 3,178×. J 2: Nachlaß 3,215. B: IV. Abt., I, Nr. 9. A: IV. Abt., I, Nr. 12. 53 , 27 so schwer] aus das schwerste K 2 30 vermuteten] glaubten K 2 31 wird;] danach daß ich nimmer schreiben würde, weil ich in 1 Jare nicht geschrieben, K 2 32 verbessern] bereuen K 1 K 2 34 auszuweichen] vorzubeugen K 2 54 , 1 im vorigen Jare] vor dem Jare K 2 5 Ich] davor Ich mus aber weit ausholen. K 2 7 Träumen] aus Aussichten K 2 mit bis 8 pflegt] mit denen 〈deren bunten Farben〉 die iugendliche Phantasie die neblichte Zukunft zu erleuchten 〈auszumalen austapeziren〉 (verschönern) pflegt K 2 9 100 rtl.] davor netto K 2 11 die künftige Messe] aus Ostern K 2 14 bei bis einhändigen] nach den ersten Komplimenten den Schreiberlon darreichen aus die ersten Komplimente mit der Darreichung des Schreiberlons bezalen K 2 den] davor gestr. das H 16f. den Schreiberlon einhändigen] das Schreiberlon darreichen K 2 17f. seinem Pulte so lange zu gönnen] in seinem Pulte so lange aufzubewaren K 2 19 halb verflossen] zu kurz geworden K 2 20f. zur Stillung meines Unmuts] (vermutlich um mich durch seine Schönheiten über die Ungerechtigkeit der Buch[aus Bücher]händler zu trösten) K 2 22 Winkel] davor gestr. Staub H 24 ein halbes] eines K 2 25 haben] danach [gestr. vorausgesezt, daß sie sich ie deiner erinnert hätte.] Ich mag nicht den Rükken der Toren mit meiner satirischen Geissel [aus Peitsche] unter Gefar verwunden, auf meinem eignen die kritische Geissel der Rezensenten zu fülen. K 2 26 Kins] davor gestr. Barts H, Barts K 2 lassen bis 27 erleben] aus benemen deinem Kopfe die Hofnung zu grauen Haren K 2 27 zornigen] nachtr. H Aus bis 31 gab.] dafür Allein man mus das schlechte nicht blos misbilligen, sondern auch verbessern. K 2 33 so bis 34 finden.] den ich Ihnen hier in Hosen von englischem Leder gekleidet, mit Hörnern, langen Oren, Schwanz und Pferdefüssen, beilege und von dem ich nachher noch mer reden wil. K 2 36 nach bis 55 , 1 verbittert] auf einem schmalen Pfad zu einem Glük hineilt, das nur auf diesem einzigen zu erreichen steht [aus zu dem nur ein einziger hinfürt] K 2 37 grösseren H 55 , 2 den bis 3 Schiksal] den Kampf zwischen der Begierde, über fremde Torheit lustig zu sein [aus fremde Torheit zu belachen], und zwischen der Notwendigkeit, [über] mein eignes Schiksal traurig zu sein K 2 16 heben möchte] aus hebe H 17 nichts bis 19 vermuten] kaum noch nötig haben hinzuzusezen, daß Trägheit an der Unterbrechung unsers Brief[wechsels] keine Veranlassung auf meiner Seite gewesen sein könne K 2 17 wenig] aus nichts H 22 Auch bis 23 solte.] Und selbst die gröste Trägheit würde sich [!] für so eine kleine Anstrengung durch Ihre Antworten genug schadlos gehalten 〈belont〉 werden. K 2 26 ist der steile Berg erstiegen] hab’ ich den [aus einen] gähen Berg erstiegen K 2 27 heissen] aus glühenden K 2 29 durch bis verschaffen] erst durch die vorigen Seiten machen K 2 56 , 2 lauter] über K 2 4 König] aus Kaiser K 2 6 wie bis 11 fürt.“] wie der Mönch sich geisselt, um die Geisel [!] des götlichen Zornes von sich abzuwenden, so wilst du die Geissel der Kritik mit deiner eignen Hand auf deinen Rükken schwingen. Du gleichst den abergläubigen Bauern, die sich mit einem gefundnen Donnerkeile in der Tasche, vor allen Donnerkeilen gesichert glauben.“ Nicht so ganz gesichert; aber mir ist der Tadel gleichgültig, der mir kein andres Verdienst als das der Felerlosigkeit abspricht. K 2 16 darum] aus deswegen H 25 viellötige] nachtr. H 35f. bedeuten bei einem satirischen Buche] d. h. tadle K 2 37 est] danach (Vergessen ist schlimmer als Tadel) K 2 57 , 1 Junge] Kind K 2 3 Brüdern] Vätern K 2 8 geben bis 10 wurden.] sie geben für Gewürz gespizte Pyramiden (d. h. Dütten) ab, stat wie die ägyptischen Könige in Pyramiden, einem Repositorium aufbehalten zu werden. K 2 10 Gegen den Tod] Vor dem Tod K 2 12 eignen] nachtr. H 13 Die bis 14 zu?] Mit der Feile ists so eine Sache; mir schmerzen die Oren und knirschen die Zäne, wenn das Knarren dieses Instruments in [!] Vorbeigehen vor meinem Nachbar, dem Schlosser, in meine Gehörwerkzeuge färt. K 2 21 Übrigens bis 23 nicht.] Wie die Polypen das Licht, so empfinden mer ihre [!] Gefül- als ihre Sehnerven die Kritik. K 2 26 einzäunen] aus einschränken H 27 halbe] aus ganze H 32 weiche] aus atmende H 34 als bis 35 angepriesen!] als Bedingung der weiblichen Schönheit aus zum Geseze der Schönheit erhoben K 2 36 stat bis frönen] stat so töricht zu sein; nachtr. Varianten: seinem Meissel eine so kalte Kritik 〈Rezension〉 zu erlauben, stat so eigensinnigen Regeln zu dienen, zu gehorchen, stat eine so kalte Kritik zu hören K 2 58 , 1 rufen] zurufen K 2 5 Kopfe] aus Haupte H 10 einerlei] gleichbedeutend K 2 11 nicht bis 12 ist] unterrichtet, indem er schmerzt K 2 14 sie prügelt] ihre Gefülsnerven beleidigt K 2 16 Skizen K 2 18 Entscheiden bis 19 ist.] Der Zeit [aus Den Umständen] seiner Schöpfung müssen Sie auch die Bitterkeit zuschreiben, mit der in meinem Buche die lustige Laune seltner als geschehen solte 〈vielleicht zu selten〉 abwechselt. K 2 20 ihren] davor gestr. sauer H nur bis 23 dürfe.] aber ich glaube nicht mit manchen neuen Autoren, daß man den [aus stat des] bömischen Hopfen, Kühnrus und Ochsengalle gleich den Bauern an gewissen Orten (zum Erwerb) iene Bitterkeit hervorbringen lassen müsse. K 2 31 Kosten] Unkosten K 2 59 , 9 dieser Tugend] aus derselben H, derselben K 2 17 niemand] aus nichts H 20 sich] nachtr. HK 2. — Am Schluß des Konzeptteils hat K 2 noch die folgenden unverwerteten Sätze: Der Verleger ist nichts als der Lichterzieher, der den Docht von Flachs (eine gleiche Materie mit dem Papier) herleiht, und das Fet, welches ihm der Autor als der Ochs verkauft, schmelzt und in eine Form zusammengiest. — Neues weis ich nichts, als dies, daß Herr Weisse, der Amazonendichter Chr. Felix Weiße, „Amazonenlieder“, Leipzig 1760. , an den Pokken darniederliegt, daß die künftige Woche ein Duzend Magistros Ph[ilosophiä] zum Nuzen der gelerten Republik in die Welt gebären wird Geschah erst am 6. März 1783. . Der Klang des Eisen schuf etc.

54, 1 im vorigen Jare: vgl. Nr. 20. 13 Chr. Gottlieb Seydlitz (1730—1808), Philosoph; vgl. 39, 2. 56, 23f. Pope: Lockenraub II, 7f.; vgl. I. Abt., I, 137,15†. 31–37 Das Zitat ist aus Senecas 101. Brief an Lucilius entnommen; vgl. 40, 34†. 57, 5ff. Horat. carm. I, 4; vgl. I. Abt., I, 160f. Auch Cervantes zitiert diese Stelle im Prolog zum Don Quichote. 13–18 Vgl. 53, 7–11†. 12–37 Großenteils im 2. Bande der Grönländischen Prozesse verwertet (I. Abt., I, 132ff.). 26 Die Form bäotisch auch sonst in Handschriften und Drucken Jean Pauls, z. B. 357, 28; vgl. II. Abt., IV, 82,14†; wohl durch franz. béotien veranlaßt. 58, 12f. Kantor Joh. Melchior Grässel oder Grössel: s. II. Abt., IV, 121,22. 19–23 Vgl. II. Abt., II, 118,29–36. 23–27 Vgl. II. Abt., II, 78,36ff. 33–35 Vgl. II. Abt., II, 502,4–8. 59, 1 das exegetische Werk: vgl. zu Nr. 39. 11–13 Vgl. B: „Schreiben Sie in einem Jahr 365 Briefe — Von mir sollen Sie ein Schaltjahr von Briefen zu gewarten haben.“ 17–19 Vgl. 51, 3–5. 28 Nikolai in nuce: einer von Vogels Söhnen. 29 Nikolaiten: nach Apok. 2,6 u. 15. 31 Doppelmaier: s. Nr. 36†.