Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 21. Juni 1784.
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Ich schreibe sogleich, damit Sie mir nicht vorwerfen, ich habe mich
geändert. Allein ich bin noch immer der nämliche; aber wenn ich
nichts zu schreiben habe, was sol ich Ihnen denn da einen
Brief
schikken. Sie aber haben sich geändert: denn Sie
schreiben ungefähr 123,15
alle halbe Jahre einmal; doch
mannichmal sind Sie fleissiger und
schikken mir auch schon in
einem Vierteliahre einen. Überdies bin ich
iezt in
verdrüslichen Umständen: denn ich habe kein Geld; doch habe
ich dafür nicht wenige Schulden und gebe mir täglich Mühe, die alten
mit neuen zu vermehren. Doch hoff’ ich bald Geld zu bekommen;
und 123,20
ich kan darauf um desto eher rechnen, weil es mir
neulich wirklich
geträumt hat, daß ich in kurzem der reichste
Mensch auf Gotteserd
boden werden solle.
Geben Sie mir — ich habe Ihnen schon einmal
darum gebeten —
doch Nachricht, wie, wo, bei wem und wie gros Ihr
neues Logis
ist. Wenn ich nun einmal wieder, wie gewöhnlich, gefahren 123,25
käme, wo solte ich denn in Ihrem Hause Plaz nehmen?
Benachrichtigen
Sie mich also, ob ich mir versprechen dürfe,
ein bequemes Loch zu
finden, in das ich bei meiner Ankunft
kriechen könte. — Vom Verkaufe
Ihres Hauses haben Sie mir auch
blutwenig geschrieben und ich habe
überdies alles schon wieder
vergessen; schreiben Sie daher alles noch 123,30
einmal. —
Mein Buch in Helmbrechts ist nur ein geschriebenes aus
andern Büchern und ich frage also wenig darnach. Ich schenke
es also
der Mademoiselle von Herzen gerne und mus es wol, da
ich mich (Sie
werden in Hof unfehlbar schon davon gehöret haben)
entschlossen habe,
dieselbe nächstens zu ehlichen. Den Hochzeittag werd’ ich
Ihnen gewis 124,1
mit nächstem Brief melden. Sie geht hier ganz in
Stillem vor sich und
meine Braut wird wol den 11. Julius schon
von Helmbrechts ab-
reisen. — Sie sehen, ungeachtet es mir tol
gehet, so bin ich doch lustig
und ich fahre wol dabei; Sie
soltens auch sein. — Hat Ihnen denn der 124,5
Pfarrer in Rehau
selbst es versprochen, mir einen Brief zu schikken?
Denn sonst glaub’ ichs nicht: der schreibt beinahe — es ist
kaum glaub
lich — noch seltner an mich als
Sie. — Über meinen H. Gefatter
freue ich mich. Was macht denn Samuel? und Heinrich? Der
Gotlieb
wird sie wol beide verführen. Ich bin ganz gesund. — Sie wissen
es124,10
doch in Zeiz sind 40 Häuser abgebrant. — Ich habe
zu diesem Brief nur
einen elenden Wisch genommen, wie Sie sehen, und ich ersuche
Sie,
mir das abzugewöhnen. Meines Erachtens solte ein iunger
Mensch wie
ich bin sich ordentlicher halten. — Wegen der
Lotterie schreib’ ich
Ihnen, wenn Sie mir geantwortet haben;
vielleicht antworten Sie 124,15
mir darum desto eher. In der
Hofnung, daß Sie mir wenigstens in
einem Vierteliahre wieder
schreiben, verharre ich
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 21. Juni 1784. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_75
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 2 S. 4°. J: Wahrheit 3,322×. 123,24 solle] aus werde 25 ihr 27 ihrem
124,8 Gefatter: Werner; vielleicht hatte er Frau Richter Geld geliehen, vgl. III. Abt., VI, 148, Nr. 382.