Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 31. Oktober 1820.
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Ich danke Ihnen, mein guter Cotta, recht sehr für die 4 übersandten
Almanache. In Ihrem Schreiben stand 5; in meinem Bittwunsche
6.
Indeß, da sie, obwol am 15ten Sept.
abgegangen, doch erst in voriger74,5
Woche ankamen und da
die Fürstinnen sie schon gelesen hatten: so
braucht’ ich blos der hier durchreisenden Herzogin von
Kurland Ein
Exemplar zu geben.
Nur stehen einige sehr fatale Druckfehler darin — vielleicht wegen der
Druck-Eile —, deren Verzeichnis ich Sie in das Morgenblatt
aufzu-
74,10
nehmen bitte.
Sie schrieben mir in Ihrem werthen vom 15ten Sept.: „Sie
würden
„jetzt auf Müllner
aufmerksam sein, von dem Sie bisher geglaubt hätten,
„er würde sich nicht von der Bahn des Rechten und Wahren
entfernen.“
Ich glaub’ es auch, denn er kann nicht, da er
gar nicht auf ihr ist. Im74,15
Literaturblatt N. 89., also
im Oktober spät nach Ihrem Briefe,
rezensiert er meine „Doppelwörter“ auf eine Weise, die mir
seit
12 Jahren ganz fremd geworden. Alles Lüge und Bosheit von
Anfang
bis zu Ende; — nicht Eine Beantwortung meiner
Gründe, sondern nur
Wiederholung des Widerlegten. Gerade das,
was ich gegen
Wolke
74,20
vertheidige wie Rosenblatt,
Rattenschwanz S. 57, thut er als ob ichs
verwürfe und
schriebe Rosblatt etc. etc. — So läßt er mich sagen
Nüssebaum; und ich stütze eben S. 141 mich darauf, daß man
sage
und sagen müsse: Nußbaum etc. etc.
Doch alles dieß geb’ ich diesem gesthetischen Rabulisten so wie meinen74,25
Stil gern Preis; aber dieser tückische Feind — durch die
Seite 11 in der
Vorrede zur 3ten
Auflage des Hesperus hab’ ich mir ihn geschaffen —
zieht unter dem Vorwand des Lobens die unschuldige
Geschichte der
Nicht-Erhaltung einer von Preußen versprochnen
Präbende — vielleicht
auch aus Abneigung gegen Preußen — so nachtheilig aus, daß
es mir74,30
politisch schaden kann. Sogar das Lob Göthe’s
im Divan vergiftet er
wieder zu einem Tadel meiner. — Wenn Merkel blos eine Wespe mit
Einem Stachel war: so ist er eine Hornisse mit 3 Stacheln;
denn als
kalter Advokat weiß er, wie in der Präbendensache,
so giftig und
doch so unsichtbar zu stechen, daß man ihn nicht fangen
kann. Ein solcher75,1
Mitarbeiter am Morgenblatt hat nun alle
meine Lust, auch einer zu sein,
sehr geschwächt; und ich begreife an der Redakzion die
Aufnahme einer
solchen Bosheit nicht. Welches Gift, besonders politisches,
kann nun die
Hornisse nicht vollends aus dem
„Damentaschenbuche“ und aus dem
75,5
„Kometen“ destillieren, um es andern einzuflößen und
anstatt wie die
neue Chemie die Lumpen in Zucker, umgekehrt den Zucker in
Lumpen zu
verwandeln?
Verzeihen Sie meine Aufrichtigkeit. Leben Sie wohl.
ergebener
Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 31. Oktober 1820. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_110
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Cotta-Archiv. 4 S. 8°. Präsentat: Empf. 4 Nov., [beantw.] 12. K 1 (Konzept) auf einem Quartblatt im Besitz von Laura Kallenberg. K 2 (Anfang eigenh., Mitte von Emmas, Schluß von Karolinens Hand): Cotta den 31 Oktob. J: Cotta 2,520×. B: IV. Abt., VIII, Nr. 68. A: IV. Abt., VIII, Nr. 75. 74, 5 15] aus 17 H 35f. unter diese von Karoline kopierte Note hat J. P. geschrieben: Keine Antikritik gegen ein verächtliches Herz und einen beschränkten Kopf. K 2 75, 4 besonders politisches,] nachtr. H 7 die Lumpen in Zucker] aus aus Lumpen Zucker H. — K 1 hat noch folgende Sätze: Da dieses bösartige Wesen des Portos nicht lohnt, wie denn der Teufel es gewiß ohne eines gern mitnimmt — da Sie keine Zeit [haben], geben Sie nur meinen Brief, das Buch etc. zu lesen. — Er ist ja höflicher als Merkel; aber bösartiger.
Vgl. Nr. 87†. 74, 9–11 Die Druckfehler wurden angezeigt im Morgenblatt v. 15. Nov. 1820, Intelligenzbl. Nr. 38. 12–14 Neben die hier (nicht ganz wörtlich) angeführte Stelle über Müllner in B hat J. P. geschrieben: Jetzt im Morgenblatt bei Gelegenheit der Doppelwörter hat der ästhetische Rabulist alles noch tückischer, zumal durch die fatale Verkürzung meiner preußischen Kanonikatgeschichte [I. Abt., XVI, 218] gemacht. Die Vorrede zur 3ten Auflage des Hesperus [I. Abt., III, 6, 12] hat ihn erbittert. 20–24 Vgl. I. Abt., XVI, 194, 15ff., 230, 16; s. auch 178, 17. — Cotta erwiderte, Jean Pauls Unzufriedenheit sei ihm herzlich leid, es könne doch aber in der Rezension, wenn man sie lese, wie sie dastehe, nichts Arges gefunden werden; was im Hintergrunde liege, könne nur der Verf. oder derjenige abnehmen, der mit dem Ganzen so bekannt sei wie J. P. — In dieser sehr undeutlich geschriebenen Stelle in A hat J. P. einiges eingeklammert und darunter gesetzt: Die [ ] für mich unleserlich; so wie der Brief unbegreiflich. In Heidelberg verstand man es wie ich. Was ist denn durch dieses Geschwätz-Nein von meinem Ja widerlegt? — Seine Dinte ist auch nicht die schwärzeste. — Vgl. Nr. 152.