Von Jean Paul an Wilhelm Franz Bock. Bayreuth, Dezember 1820.
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Mein Dank für Ihr dreifaches Geschenk, oder vielmehr für Ihr
vierfaches — denn Ihr freundlicher Brief ist auch eines und gibt dem
Übrigen rechten Werth und Namen — hätte sich nicht so lange
ver81,30
späten sollen; aber ich
wollte früher und lange lesen, eh ich dankte;
und im Lesen
dankt’ ich Ihnen in Einem fort. Am meisten dank’ ich
Ihnen
für Grimms Korrespondenz etc. etc., zu welcher ich mich
durch
Grimms biedern Charakter und durch meine Vorliebe für die
franzö-
82,1
sische Literatur seiner Zeit längst
hingezogen fühlte. Ihre Auswahl ist
eine treffliche zweite Destillazion dieses Geistes, die blos das Phlegma
zu zeitgemäßer und zu örtlicher Beziehungen fallen ließ. Ihr
Buch ist
amüsanter — und belehrender dazu — als alle jetzige
Anekdotensamm82,5
lungen. Warum
verlangen Sie ein besonderes Urtheil über Ihre
deutsche
Sprache? Sie sind dieser durchaus mächtig; eine solche Macht
nun im Bunde mit Ihrer Muttersprache gibt leicht die besten
Über-
setzungen aus dem Französischen. Einige
von Ihnen übersetzte Fabeln
des männlichen Sévigné verglich ich mit einigen von Catel
übersetzten;
82,10
aber dieser hält auch nicht die nachsichtigste
Vergleichung mit Ihnen
aus. Ähnliche Verkürzungen wie bei Grimm hätt’ ich wol auch dem
weiblichen La Fontaine gewünscht,
aber weibliche Briefe, diese wahren
Fontaines, vertragen eben keine Abkürzung ihrer
Wasserstralen. Eben
am Ende — wie überall der Mensch am Ende
— bemerk’ ich einen82,15
Irrthum meines Anfangs. Fünffaches
Geschenk hätt’ ich nämlich
schreiben und Ihr Büchlein von
Friedrich II nicht vergessen sollen.
Wie sehr ich Ihrer Meinung über ihn
[in] Ihren Noten bin, wissen
Sie vielleicht aus meinem Siebenkäs;
um so mehr erquickt mich Ihre
Bestätigung. So leben Sie recht heiter, thätig und von
fremder Liebe82,20
beglückt.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Wilhelm Franz Bock. Bayreuth, Dezember 1820. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_123
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K: Bock, Pred. an der franz. Gemeine u. Lehrer an der Ritterakademie in Brandenburg an der Havel — Dez. [gestr. 18|20] B: IV. Abt., VIII, Nr. 69. A: IV. Abt., VIII, Nr. 249. 82,6 verlangen] aus wollen
Der mit der Justizrätin Meier in Nauen (vgl. Nr. 419) befreundete Prediger Bock hatte als Zeichen seiner Verehrung seine Übersetzungen von Lafontaines Fabeln (1819), von den Briefen der Sévigné an ihre Tochter (3 Bde., 1818) und von Grimms und Diderots Korrespondenz (1820; vgl. II. Abt., V, 452, 17) sowie eine (gegen E. M. Arndt gerichtete) Schrift „Einzelne Ansichten über Friedrich den Großen nebst dessen Briefen an die Gräfin von Cames“ (1818) übersandt, sämtlich in Brandenburg erschienen. 82, 10 S. H. Catel, Prediger in Berlin, hatte 1791 bis 1794 eine Übersetzung von Lafontaines Fabeln herausgegeben. 19 Siebenkäs: I. Abt., VI, 486ff.