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Von Jean Paul an Michael Ludwig Wellmer. Bayreuth, 20. April 1822.

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[ Bayreuth,20. April 1822 ]
165,25

Der Witz, geistreicher Herr Wahrmann, gibt selber Schutzbriefe, er
braucht also keinen, sondern nur wie Stände (nach Ihrem herrlichen
Wortspiel) Gegenstände. Vollends Ihre harmlose Laune — welche
mich in Ihrer souflierten Kathederrede besonders ergötzte — schlägt
mehr mit dem Fächer, oder gibt Ohrfeigen wie ein junges Mädchen165,30
einem sie oder sich vergessenden Liebhaber. So sehr ich konstituzionell
aus ganzem warmen Herzen denke: so find’ ich Ihr Lachen doch nicht
verfassungwidrig; über etwas lachen ist sehr verschieden von Verlachen;
so wie man nur jenes, nicht dieses gegen sich selber kann. Übrigens habe
ich nur lobende Urtheile über Ihre Briefe gehört, und dem warmen 165,35
schönen Ernste Ihres 6ten geb’ ich besonders konstituzionellen Beifall.

Blos zur Kehrseite (die hier die briefliche ist) gehört eine zu stark166,1
und zu oft wiederkehrende culotterie, die dann immer sans-culotterie
wird — auch der Spaß mit den Klebhosen bei dem Stimmen; so wie
überhaupt nicht die ersten Briefe, sondern die folgenden die bessern sind.
Sogar den Wunsch: wäre man doch ein Prinz! find’ ich nicht zart genug166,5
neben Prinzessinnen.


Mögen Laune und Witz — diese so seltnen Goldrahmen und Dukaten
ränder an einem Landrichter, so daß beide sogar der unter einem
Stehende einbüßt — Sie immer durch das Leben und zu uns Lesern
begleiten!166,10


Ihr
ergebenster etc.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Michael Ludwig Wellmer. Bayreuth, 20. April 1822. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_277


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 281. Seite(n): 165-166 (Brieftext) und 380-381 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K (von Emmas Hand): Landrichter Wellmer in Markt-Erlbach 20 Apr. (Kurzer Entwurf vorher.) B: IV. Abt., VIII, Nr. 146. A: IV. Abt., VIII, Nr. 156. 165,32 ganzen 33 verfassungswidrig

Michael Ludwig Wellmer (s. Meusel 21,462) hatte, nachdem ihm J. P. bei einem Zusammentreffen (wann und wo?) Freundliches über seine früheren Versuche gesagt und ihn zu neuen aufgemuntert hatte, seine satirischen Schriften „Birmanisches Strafgesetzbuch“ und „Briefe des Deputierten Michael Wahrmann“ (1822) durch die Riegelsche Buchhandlung in Nürnberg übersandt (vgl. Nr. 250 u. 256) und gebeten, J. P. möge ihn in dem schweren Kampfe, der ihm infolge seiner satirischen Befehdung menschlicher Torheiten bevorstehe, durch ein paar freundliche Worte, von denen er diskreten Gebrauch machen könne, unterstützen. Ungeachtet der scheinbaren Tendenz der Wahrmann-Briefe gegen die frommgläubigen Konstitutionellen sei er im Herzen konstitutionell, wiewohl nicht frommgläubig gesinnt. — S. 51 der „Briefe“ das Wortspiel: „Was wollten selbst die Stände anfangen, wenn sie keine Gegen-Stände fänden, an denen sie ihre Kräfte zum Wohl des Vaterlandes versuchen könnten?“ S. 44ff. die soufflierte Rede, S. 5 die Klebhosen, S. 39 „Wäre man doch ein Prinz!“ — In A dankt Wellmer für das „Trost- und LiebesBriefchen“, das er nur einigen vertrauten Freunden zeigen werde, und meldet, daß sein Wahrmann und der Birmane von der Berliner Polizei beschlagnahmt worden seien.