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Korrespondenz

Von Jean Paul an Max Richter. Bayreuth, 5. April 1820 bis 6. April 1820.

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17,28
Baireut d. 5ten Apr. 1820 [Mittwoch]

Mein geliebter Sohn! Da ich ein Buch für den Druck vollenden 17,30
muß vor meiner Abreise: so schreib’ ich dir nur Sätzchen. Du hast uns
alle sehr gefoltert durch dein neuliches Schweigen über den Empfang des18,1
Paquets. Foltere ja nicht mehr. — Schreibe mir die Nummer und Gasse
deiner Wohnung. — Vor der Blüte komm’ ich nicht. Aber vorher er
kundige dich nach einem möblierten Stübchen für mich auf 3 Wochen
(denn ich wohne, der Freiheit wegen, durchaus bei niemand zu Gast);18,5
ich brauche blos ein schlechtes Kanapée zum Studieren, einige
Wandschränke, ein Bett, eine Bedienung für Kaffeemachen und
Ausschicken. Es muß, wo möglich, nahe am königlichen Schlosse sein.
Ziehe Frauen (die Thiersch, Schlichtegroll etc. etc.) zu Rathe; diese
helfen mir schon. —18,10

den 6ten Apr.

Ich danke dir, Lieber zwar für dein Kopieren aus Blümner, den ich
längst kenne, und aus Schlegel, der sein Bestes Herder, Göthe, Lessing
(z. B. über Sophokles) und der Zeit verdankt; aber gib dir die Mühe
nicht mehr, die mir Porto und dir Zeit kostet. Lies lieber meine Vor- 18,15
schule, die du gewiß besser verstehen wirst als die Vorrede und den
Hesperus. — Ein junger Maler, Plunk glaub ich, brachte Grüße und
Lob von dir. (Auch der junge Welden lobt dich.) — An deinen Briefen
mess’ ich deinen schönen Wachsthum des Charakters. Welche Blüten
wirst du erst im warmen Boden von Heidelberg treiben und unter so 18,20
vielen freundlichen Gestirnen meiner Freunde! —


Alles an dir wächst ins Schöne, nur deine Schreibhand ins Häßliche;
denn anstatt einen Zerrbuchstaben abzudanken, belohnst du mein Sünden
register immer mit einer Vermehrung desselben; z. B. alten schreibst du
allen, Wunsch Wuntch, B wie L, v wie n oder 1, und wie o. Eigennamen18,25
sind daher bei dir gar nicht zu entziffern in — Briefen; welches Züge
Gewirre aber mag erst in deinen Privat-Schnellschreibereien herum
kriechen! Du wirst es künftig beklagen, daß du durch die wiederholten
Rügen deines Vaters dich so wenig bessern lassen. — Ich freue mich auf
deinen herrlichen Thiersch. — Dein Bücherkaufen stelle ja ein, nicht 18,30
blos wegen deines noch ziehenden Nomadenlebens, sondern auch wegen
der Gränzenlosigkeit der Geldausgaben, wenn du jetzt von Klassikern,
die du schon hast, noch die verschiedenen Buchausgaben kaufen willst.
Letzte borge; nur ganz fehlende Werke kaufe. Mich mußt du künftig
überall dabei fragen. — Schreibe uns von den Gesundheitverhält18,35
nissen deines Leibs und der Stadt zugleich.

Wie freu’ ich mich, mein guter Max, auf die Stunde, wo ich dich als19,1
einen in mehr als einem Sinne mir wiedergebornen Sohn an das Herz
drücken kann! —



Dein guter Vater
R.19,5

N.S. Da die Post am Freitage dir schon am Sonntage die Briefe
bringt: so rechne im Ganzen immer auf die Sonntage und frage bei
deinem Stoffel nach.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Max Richter. Bayreuth, 5. April 1820 bis 6. April 1820. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_29


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 29. Seite(n): 17-19 (Brieftext) und 332-333 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 4 S. 8°. B: IV. Abt., VIII, Nr. 17, 19, 20. A: IV. Abt., VIII, Nr. 25 und 27. 18,28 durch] nachtr.

18,12 f. Max hatte lange Auszüge aus der Schrift von Heinrich Blümner „Über die Idee des Schicksals in den Tragödien des Aischylos“ (1814) und aus Friedrich Schlegels Abhandlung „Über das Studium der griechischen Poesie“ (1797) gesandt. 15–17 Max hatte angefangen, mit Erstaunen und Entzücken den Hesperus zu lesen; in der Vorschule der Ästhetik war er in der ihm unverständlichen Vorrede stecken geblieben. 17 Plunk: vielleicht der holsteinische Maler Detlev Konrad Blunck (1799—1853, s. Thieme-Becker 4, 144). 18 Der Sohn des Freiherrn von Welden, Karl, war im Münchner Kadetten- und Pagenkorps (wie Platen), vgl. 36, 11ff., 46, 3ff. 19, 8 Max wohnte seit März 1820 An der Frauenkirche Nr. 1581 beim Drechsler Stoffel 5 Stiegen hoch.