Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 28. September 1817.
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Mein alter guter lieber Heinrich! Diesen Namen lieb’ ich be
sonders; auch weil mein bester (verstorbner) Bruder so hieß.
—
149,15
Durch deine Briefe wohn’ ich ordentlich bei dir und
folglich in
Heidelberg noch fort, dessen Vielgestirn mir niemal
untergehen soll.
— Ich wollte nur, du hättest sinesisches Seidenpapier den
Bogen zu
10¼ frankf. Ellen, worauf die Zeitung gedruckt wird, damit
du dich
weniger kurz zu fassen brauchtest. Deine Urtheile und
Menschen149,20
abschattungen sind
immer treffend. — Der niedrige Krause soll mich
nie wie ein Taucher die Seeenten, zu sich hinunter ziehen.
Was ich
gegen den Nachdruck zu sagen wußte, hab’ ich ja
schon im vorjährigen
Morgenblatt weitläuftig gesagt. Krause antwortet, wie oft
Weiber, meistens auf etwas anderes. — Erschüttert hat mich
der149,25
im Wissen barbareske Hartung mit der Nachrede von Barbarsein
gegen meine Kinder, gegen sie, diese seeligsten der Kinder.
Nie übrigens
durfte der Unbedeutende mich seinen Freund nennen; aber zu
meinem
Feinde hab’ ich den Zudringlichen durch meine
strenge Weigerung
gegen die Wagnersche Philosophie gemacht, die er vor mir nach-
149,30
und vorbeten wollte; und ich
ließ ihn zuletzt ergrimmt abziehen. —
Sage der guten
Hofräthin Dapping meinen herzlichen Dank für
den abendrothen Abend — und der guten Sophie für Suppe und
Blumen — und den übrigen lieben Wesen für das, was ich
ihnen150,1
unter dem Tanze gestohlen. Du kannst sogar dieses
Brief-Winkel
chen für die Freundlichen
herausschneiden, wenn du Freude damit zu
machen glaubst.
Dein am Sonnabend abgegangner Brief kam schon am Mittwoch150,5
an. — Dem vortrefflichen Dittmar sage, daß ich die zweite
Büste
an ihn abzugehen hindere, weil ich sein eignes Abreisen
fürchte und
daß ich also auf seine nähern Worte warten lasse.
— Bemerke, jeder
Gedankenstrich bedeutet in meinen Briefen
einen Gedanken-Absprung.
— Vor den Paulus halte ihr
monatliches Schweigen bei ein Paar
150,10
Besuchen zusammen mit deinem Fortschreiben bei
deinen Dekanaten,
Professuren, Übersetzungen und 32
Kompaßbriefschreibereien und
sage Sophien, es habe mir nicht
sonderlich wol gethan, sondern
vielmehr weh. Dem dienstfreundlichen Wilhelm bringe einen
Gruß,
den ich neulich vergessen. — Meine Dioskuren-Herzen, Otto und
150,15
Emanuel, lieben dich unendlich voraus, so wie meine Caroline,
deren Handschrift sogar deiner ähnlicht. — Stuttgart hol’ ich im
künftigen
Frühling gewis ein, oder mich der Tod. — Und so lebe
denn
wol, du ächter biederer Mensch!
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 28. September 1817. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_331
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Bayer. Staatsbibl. 1⅔ S. 8°. K 1: Voß 28. Sept. K 2 (von Karolinens Hand): Berlin JP. i (nach K 2): Wahrheit 8, 123×. J 1: Voß S. 11×. J 2: Petzet Nr. 4. A: IV. Abt., VII, Nr. 75? 149,17 niemal] aus nie H, niemals K (das s hier vielleicht nur aus Platzmangel weggelassen, doch kommt die Form ohne s auch sonst vor) 27 diese] die K übrigens] aus aber H 30 vor] nachtr. H 31 vorbeten] abbeten K 1 150,2 gestohlen] aus genommen H 10 Vor] aus Bei H
Gleichzeitig mit diesem Briefe ging auch einer von Karoline an Voß ab, worin sie ihm eine Locke Jean Pauls schickte, um die er sie in einem Brief v. 5. Sept. (H: Prof. A. Kippenberg) gebeten hatte. 149, 14f. Heinrich: vgl. den Anfang von Jean Pauls Brief an Jacobi v. 15. Mai 1799 (Br. III, Nr. 274). 21—25 Krause: vgl. Nr. 297, § 6†; Voß hatte im Brief an J. P. IV. Abt., VII, Nr. 67 geschrieben, Krauses Schrift über den Nachdruck sei sehr geschickt und gefährlich und nicht mit Witz ab zutun; Ende Nov. 1817 schreibt er an Abeken: „Jean Paul bat mich auf das dringendste, ich sollte die schärfste Lauge des Spottes und des Unwillens, die ich vorrätig hätte, auf Krause ausschütten, und viel leicht geschieht’s einmal. Nachher kehrte ich die Bitte gegen ihn um.“ 25—31 W. C. Hartung, ein Sohn des Br. I, 359 genannten Schwarzenbacher Diakons Joh. Christoph Hartung, 27. April 1811 als Dr. phil. in Heidelberg immatrikuliert (s. Matrikel der Universität Heidelberg, Teil 5, Heidelberg 1904, S. 57), wo damals Joh. Jak. Wagner Philosophie lehrte; vgl. I. Abt., XVII, Einl. S. LVIII; Persönl. Nr. 208, S. 170. Voß hatte diese Äußerung in dem oben erwähnten Brief an Karoline mitgeteilt, wozu Jean Paul an den Rand schrieb: Für mich die gräßlichste Verläumdung! Sollte man nicht unbekümmert schlecht scheinen den baireuter Hunden und Hündinnen, um ihnen nur die Verläumdung zu ersparen? In dem oben angeführten Brief an Abeken entschuldigt Voß seine Klätscherei damit, daß Hartung im Begriff sei, nach Bayreuth zurückzukehren; „da war mir der Gedanke unerträglich, mein teurer J. P. könne den Kerl einmal wieder in sein Haus oder an seinen gastlichen Tisch lassen.“ (Das Bayreuther Gerede über Jean Pauls „Barbarei“ war u. a. dadurch entstanden, daß er seine Kinder zuweilen, horribile dictu! barfuß laufen ließ, wie er es in der Levana empfiehlt, vgl. I. Abt., XII, 195.) 33 Sophie Dapping: s. Nr. 360.