Von Jean Paul an Caroline Richter. Bamberg, 26. Mai 1818.
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Meine geliebte Karoline! Ich gehe lieber heute weder zu Roten-
hahn, noch zu Hake, noch zu Kunz, damit
ich dir nur schreibe. Zehn-
mal mehr hab’ ich heute an dich gedacht
als du an mich, und zwar187,20
darum, weil die Zeit
unterwegs sich mehr zertheilt und ein durch
reiseter Vormittag zehnmal länger ist als ein einheimischer.
— Zu
Hause glaubt man bei der Freude über eine Wiese an Wunder
thaten
mehrer Wiesen hinter einander. Es ist nichts. Unterwegs
wird
man kälter und fodernder. Die schönste Aussicht war mir187,25
Nachmittags in deine Stube neben unsern Kindern. O du Liebe!
Du hast doch das Unsrige neben dir, ich aber jetzt nichts
als den
Gedanken des Schreibens. Aber morgen wird dein Auge
und Herz
mich immer umschweben und mich an einen Tag
erinnern, der heute
mir noch heiliger gewesen als bei seiner
Erstgeburt. Sei froh und187,30
hoffend, wie ich, so
brauchen wir beide nichts weiter. — Ihr Kinder,
wollt ihr eurem Vater in der Ferne aus Sehnsucht eine
Freude
machen, so macht der Mutter eine: da wird euch der
Vater recht188,1
lieben.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Caroline Richter. Bamberg, 26. Mai 1818. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_410
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
J: Wahrheit 8, 137. A: IV. Abt., VII, Nr. 115.
Angekommen 28. Mai. 187, 18 Rotenhahn: vgl. Bd. VI, Nr. 340, 133, 34†. 19 Hake: vgl. Bd. VI, Nr. 124†; er war inzwischen nach Bamberg versetzt. 24 Wiesen: vgl. die „bambergischen Wiesen“ I. Abt., VII, 235, 14†. 28—30 Der 27. Mai war Jean Pauls Hochzeitstag.