Von Jean Paul an Johann Gottfried Langermann. Bayreuth, 4. Februar 1811.
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Sie haben mir in mein immer mehr verarmendes Bayreuth-
Leben eine reiche Stunde geschickt. So oft ich aus meiner
Schlaf
kammer an Ihr nun verwaisetes
Palais d’inégalité hinüber sehe,
zank’ ich mich aus, daß ich Sie nicht öfter besucht habe. Jetzt
steh’ ich mit leerem Ohr vor dem leeren Bauer wie ein Bauer —181,20
und der Vogel schlägt in Berlin. Es
ist aber eine Eigenheit des
Menschen; sobald er nur weiß, die beste Gesellschaft wohnt
ihm
bei der Hand: so verbleibt er ruhig einsam in seinem
Neste; ist sie
aber entflogen: so jammert er wie ich. Eine
Universität in eine
große sittenlose Stadt, ein Studierzimmer in einen Tanzsaal
zu ver-
181,25
legen, noch dazu einem Hofe
gegenüber, hab’ ich immer für einen
Misgriff gehalten. Der
Student muß herrschen und die Stadt von
ihm abhängen und er
nichts größeres um sich kennen als den Pro
rektor; das triennium ist das goldne und poetische
Zeitalter der
Wissenschaft. Die besten Universitäten waren
immer kleine Städte.181,30
Wenn sonst in Paris, Padua, Bologna, Prag Universitäten
waren: so machte sich die Größe wieder gut durch die Menge
der
Studenten, deren oft 20,000 waren, und durch die
höhere Achtung,
die man damals für die blühende Wissenschaft
hatte.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Johann Gottfried Langermann. Bayreuth, 4. Februar 1811. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_454
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K: Langermann 4 Febr. i: Wahrheit 7, 201. B: IV. Abt., VI, Nr. 137.
Langermann hatte, durch Karolinens Anwesenheit in Berlin veranlaßt, in einem langen Briefe ausführlich über die dortigen Verhältnisse berichtet, die ihn sehr enttäuscht hatten, besonders die neugegründete Universität. Über die Universität in der Hauptstadt dachte J. P. später anders, s. I. Abt., XIV, 295†. — Vermutlich enthielt der Brief auch eine Fürbitte für Frau von Dobeneck, vgl. Nr. 450 und 452.