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Korrespondenz

Von Jean Paul an Emanuel. Bayreuth, 1. November 1805.

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[ Bayreuth, 1. Nov. 1805 ]
64,29

Mein Alter! Th[ieriots] kränkliche Weichheit kommt blos von 64,30
der Anrückung eines befohlnen Abschieds; seine jetzige allerneueste
Liebe ist blos die Frucht Ihres letzten Briefes. Hätten Sie Ja ge
schrieben: so wär’ er lustiger und kälter und schöbe seines auf. Jetzt65,1
ist nach dem was Sie gethan, nichts weiter zu thun als ihm zu be
fehlen oder zu rathen, daß er bevor er ein musikalisches Amt habe,
schon aus Liebe zur Kunst die Ehe fliehen müsse, die den Künstler
(wenigstens mit Kindern) immer eindämmt, und daß er vom rechten65,5
männlichen und altdeutschen Heiraths-Alter, 30, — Aristoteles
und Plato fodern gar 35 — noch um einige Geburts〈Wiegen〉feste
zu entfernt sei zum Hochzeitfeste, das Wiegen hobelt. Behandeln
Sie ihn nun nicht mehr sehr ernst; sonst weint er zu seelig und wird
ein Narr. — Fragen Sie ihn doch, ob ich das Tagebuch über meine65,10
Kinder, das in die Erziehungslehre kommt, an ihn in Briefen nament-
lich richten darf, da ich es so sehr wünsche, um es durch Beziehen auf
ihn komischer zu machen. — Und somit gut! Es ist überhaupt das
erste mal daß er handeln soll weit ins Leben hinein und hier deckt
sich sein altes Schwanken und Wiegen auf; aber lieber wieg’ er65,15
sich als Kinder. Er weiß ja noch gar nicht, was Noth, Frau, Kind,
Pflicht und Lebens-Einsicht ist, so wenig als ich im 25, 29ten Jahre.
Jetzt freilich bin ich mehr Muster und Meister.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Emanuel. Bayreuth, 1. November 1805. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_164


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 5. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1961. Briefnr.: 165. Seite(n): 64-65 (Brieftext) und 291 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: SBa. 2 S. Präsentat: 1 Nov. 5. J: Denkw. 1,179. 65,3 oder zu rathen] nachtr. 6 und altdeutschen] nachtr.

Thieriot scheint in einem Brief an Emanuel die Absicht geäußert zu haben, Eva Hoffmann zu heiraten; vgl. 146, 26ff. 65, 10–13 Tagebuch über meine Kinder: Thieriot antwortete auf die ihm von Emanuel am 9. November übermittelte Frage: „Ich biet’ ihm meinen zweiten Vornamen Emil an, wobei er die Anspielung auf den Rousseau gewinnt.“ Emanuel erwiderte am 27. November: „Richter meint, mit dem Emil ließ’ es sich nicht so spaßen wie mit dem Thieriot, er wollte sich also einen Namen selbst machen.“ Die Idee des Tagebuchs wurde dann ganz aufgegeben, nur einzelne Aussprüche der Kinder angeführt, s. I. Abt., XII, 130, 152, 334.