Von Jean Paul an Caspar Friedrich Freiherr von Schuckmann. Bayreuth, 5. März 1807.
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pp. Unter den vielen jetzigen Fragen an Sie —
wahrscheinlich
meistens über Einen Gegenstand — laufe denn
auch die meinige133,20
mit durch.
„Bin ich ein kontribuzions-fähiger Kapitalist?“
Wenigstens hat mich die Kammer in diese vornehme Rangliste
aufgenommen. Was allen wiederfährt, geschehe auch mir, besonders
durch meine Obrigkeit; und wenn der Druck des Drucks jetzt so133,25
manches Gesetzliche abändert, wie das Erdbeben die (sonst
immer
richtige) Magnetnadel verfälscht: so gelt’ es auch
mir, sobald ich
nicht der einzige bin.
Als Fremder — der hier Geld nur verzehrt
und auswärts erwirbt
— und der Bayreuth nichts verdankt als
Gegend, Bier und Langweile — frag’ ich erstlich, ob ich den Rabat
133,30
meiner unbedeutenden Gelder zu
zahlen schuldig bin, besonders da
ich erst einige Jahre hier
bin, und also nach dem Landrecht nicht
einmal Nachsteuer als
Auslaßgeld zu entrichten hätte —; aber
zweitens bedarf ich der
Belehrung, in wie weit, und wie viel
ich134,1
zu bezahlen habe. Der ungesetzlichen Foderung würde ich
4 gr. ver
weigern; aber die gesetzliche muß
ich genau wissen, um auch nicht
das Kleinste zu versäumen, blos
meines Gewissens wegen.
„Zu Kapitalien werden auswärtige Güter nicht ge-
134,5
rechnet“, schreibt die Kammer im Intelligenzblatt. Also muß
man
die jetzige Kriegssteuer auch für Kapitalien erlegen,
die man außer
Landes hat? — Ferner: wird der Ort berechnet, wo
ich meine Hono
rarien bekomme (z. B. das
kontribuzions-freie Tübingen)? —
Oder der, wo ich blos schreibe und schrieb (z. B. Meiningen und
134,10
Weimar)? — Oder der, wo einige eben stehen, z. B. Berlin? —
Gehört ohne Gütergemeinschaft das Vermögen der Frau hinein?
—
Wenn nur der Ort entscheidet, wo man das Dintenfaß hatte,
und
das Bier- und Weinfaß — mehrere Fässer verlangt kein
Diogenes
vom Bayreuther Sinope —, und wo man z. B. in 1
Jahre 2,000 fl.
134,15
erschrieb und 1,500 verzehrte und 500 auslieh: ist
dann mehr zu
entrichten als für diesen Überschuß? —
Endlich leben will jeder Autor, der nichts hat als seinen Geld
beutel, blos von diesem; und kann das, was er für eine
jährliche
Ausgabe stets liegen haben muß, zu seinen
Kapitalien gerechnet134,20
werden? —
Ich frage fast zu viel für Ihre Geduld und Zeit. Ich bitte blos
um Ihre einsilbige Entscheidung, (nicht um Ihre Entscheidungs
gründe) noch vor dem 8ten dieses. —
Übrigens ist mir alles gleich
gültig, nur
nicht das Unrecht. Ich folge Ihrer Entscheidung und134,25
bitte Sie um Verzeihung, daß ich das Glück, Ihnen bekannt zu
sein, auch zu einem Anlasse eines unparteiischen Responsum’s
verwandle.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Caspar Friedrich Freiherr von Schuckmann. Bayreuth, 5. März 1807. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_327
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K (nach FB Nr. 55, von Karolinens Hand mit eigenh. Verbesserungen): Schukmann d. 5 März. i: Wahrheit 7,99 ×. A: IV. Abt., V, Nr. 121. 133,25 des Drucks] danach noch einmal des Drucks
Schuckmann antwortete: „Gedanken sind kontributions- wie zollfrei, sowohl die vergangenen, wie die gegenwärtigen und künftigen, sobald sie nicht in eine nach fixem Tarif verdungene Waare übergegangen sind; und die wandernden Nachtigallen sucht man wohl zu fangen, aber man rupft sie nicht, wie die Hofgänse. Es geht Sie daher ... das Kapitalistenwesen nichts an ...“