Von Jean Paul an Karl Friedrich Heinrich Graf von der Goltz. Bayreuth, 31. Oktober 1807.
Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.
[Kopie]
Ihren Dezember-Brief hab’ ich empfangen; und hier schick’ ich
Ihnen meine verloren gegangene Antwort (mit wenigen Aus173,35
lassungen kopiert) zum zweitenmale. Die feindliche Hand, die
dieses174,1
Blatt zurück behielt, hat die Schuld eines doppelten
Schmerzens.
Mir drangen Thränen in die Augen, als ich Ihren Brief und
dessen Irrthum las und mich in die Herzen versetzte, die er verwunden
mußte. Aber welcher Zeuge — der wahrscheinlich die wirkliche
Hoch174,5
zeit von R[osalien]s älterer Schwester
mit ihrer verwechselte —
konnte Ihnen mehr Wahrheit auf der Zunge und im Herzen zu
haben scheinen, um damit die treue warme auf der Zunge und
im
Herzen einer solchen Seele zu überwiegen und ins
Gegentheil zu
verwandeln? O ihre Schmerzen sind bessere Zeugen
ihrer Treue!174,10
Und ihre Handlungen noch mehr; denn sie
wies zwei Anträge ab
und hat noch mit dem eines Grafen — (ihr
verwandt) zu kämpfen.
Sie weinte bitter, als sie Ihren so frohen und so schmerzenden
Brief las. Ihr Blättchen, das ich ohne ihr Wissen hier
beilege,
zeigt Ihnen die Seele, welche ewig liebt und ewig
vertraut und die174,15
durch kein Glück zu belohnen ist als
durch das größte. Sie hätte
Ihnen (wie Sie daraus sehen) ihr
Bild mitgeschickt, wenn es ihr
vergönnt geworden wäre. Dieses
Bild der holden reinen liebenden
Gestalt hätt’ ich so gern
diesem Briefe für diejenigen mitgegeben,
die vielleicht diesen
Brief erbrechen, damit es sie angeredet hätte:174,20
„Wollt
Ihr denn einer Unschuldigen so viele Schmerzen machen, so
„viele Freudenthränen stehlen, blos weil Ihr immer an Euer Kriegen
„denkt und nicht an unseren Frieden der Liebe?!“ —
Ich bitte Sie daher, um das lange bange Harren abzukürzen, mir
sogleich den Empfang dieser Blätter zu melden. Schweigen Sie:
so174,25
hab’ ich wieder vergeblich geschrieben.
Es geh’ Ihnen so wol als es ein tapferer treuer Deutscher vom
Schicksal verdient! —
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Karl Friedrich Heinrich Graf von der Goltz. Bayreuth, 31. Oktober 1807. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_421
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K (nach Nr. 419, Text von Karolinens Hand mit eigenh. Korrekturen): An Graf Golz. i: Hesperus, Okt. 1954, Nr. 8, S. 36f. 174,1 feindliche] von Jean Paul nachtr. 2 zurück] von J. P. nachtr. 19 diejenigen] von J. P. aus Sie 21 ihr
173,35 Antwort: Nr. 303. 174, 6 Vielleicht die 1785 geborene Therese von Voelderndorff, die mit dem Landrichter Lentz verheiratet war, s. Bd. VII, Nr. 338, 152, 15 .