Von Jean Paul an Karl Wilhelm Reinhold. Bayreuth, 25. August 1808.
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Für Ihren Brief wie für Ihren Vorsatz hab’ ich Ihnen viel Dank
zu sagen. Ich machte zuerst Ihre — und halb meine — Bekannt
schaft in der zweiten Hälfte Ihres Aufsatzes über mich in
der
Georgia. Die erste hab’ ich noch nicht gesehen. Ihre
Lessingschen
Rettungen meines Autor-Ichs, das bisher lieber sich zu
fremden als230,15
eignen entschloß, haben mir wol gethan.
Ihre hier beantworteten
Fragen haben mich indessen in einen
gerechten Zorn gesetzt ——
über mich. Himmel! wie mags erst in
der Vorschule, im Hesperus,
Siebenkäß etc. hergehen mit mehr als 12 h. Nächten, also
mit
1001, wenn ein Mann und Freund wie Sie solche Fragen thun
muß?
230,20
Der Teufel hole meine Liebe zur Kürze; die allein ist
schuld, sammt
der Menschlichkeit, daß Sie, wenn Sie z. B. eine
Disputazion über
das jetzt über Europa reichende droit d’Aubaine lesen, durchaus
glauben müssen, aller Welt sei ein Wort bekannt, das Sie
hundertmal
hinter einander gelesen, und es folglich in der
Levana gebrauchen
230,25
und, des Wechsels wegen, gar sagen: jus Albinagii.
— Der Anfang des Wörterbuchs mit der Levana ist sehr
recht;
denn Weiber eben bedürfen es am meisten. So könnten Sie
früher
für den Hesperus als die
doch mehr für Unsers Gleichen geschriebne
Vorschule ein Bändchen geben — Auch merkantilisch rath’
ich
230,30
zum Immediatisieren jedes Bändchens; zu keiner
Verkaufs-Reihe —
ferner nur zu den kürzesten Notizen über
historische Personen. Je
kleiner die Bändchen, desto besser
für uns drei; sogar der Titel könnte231,1
kleiner sein.
Was Fichte sagt, hab’ ich — so wie mehrere seiner neuern
Sätze —
längst, doch mit gerechter Einschränkung, im 2ten Titans Anhange
S. 29 gesagt.231,5
Möge der Himmel, d. h. das Publikum Ihre wolwollende Mühe
belohnen!
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Karl Wilhelm Reinhold. Bayreuth, 25. August 1808. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_557
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Univ. Bibl. Leipzig (Kestnersche Autogr. Sammlung). 4 S. 12°. Präsentat: E. d. 31 Aug. beantw. d. 3 7br. K: Reinhold in Leip. 25 Aug. A: IV. Abt., V, Nr. 187. 230,15 bisher] aus doch H 16 entschloß] aus entschließt H 17 gesetzt] nachtr. am Schluß der hier endenden 1. Seite H 19 Siebenkäß] aus Siebenkäs H 21 Liebe zur] nachtr. H
Karl Wilh. Reinhold, eig. Zacharias Lehmann (1777—1841), Schauspieler (s. Jahrb. d. Sammlung Kippenberg IX, S. 282ff.), hatte Jean Paul in einem (nicht erhaltenen) Briefe mitgeteilt, daß er ein erklärendes Wörterbuch zu seinen Schriften, und zwar zunächst zur Levana, vorbereite (Bibliogr. Nr. 1894), und hatte um Auskunft über einzelne ihm unverständliche Stellen gebeten. Jean Pauls Auskünfte standen vermutlich auf einem eigenen, nicht erhaltenen Blatt; zwei davon hat Reinhold in seinem Wörterbuch S. 47 u. 146 wörtlich angeführt, nämlich über das Wunder des Glaubens (Levana § 40) und über Sina und die arabische Wüste (Levana § 17), I. Abt., XII, 134,12f. u. 99,33. In der Bamberger Zeitschrift Georgia war im 2. Jg. (1807), Nr. 17 (2. März), 26 u. 27 (3. u. 6. April), ein Aufsatz von Reinhold über „Jean Paul und seine Zeit“ erschienen. 230, 19 12 h. Nächten: R. hatte vielleicht um Erklärung der Stelle in § 41 der Levana (I. Abt., XII, 137,1ff.) gebeten, vgl. S. 96 seines Wörterbuchs. 23 droit d’Aubaine: vgl. I. Abt., I, 525,36, VIII, 210,29, XIV, 167,21; in der Levana nicht vorkommend. 231, 3–5 I. Abt., VIII, 415, wo sich Jean Paul über die Einseitigkeit und Parteilichkeit der Kritik der jungen Romantiker aufhält.