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Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Leipzig, 21. Oktober 1798.

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Leipzig d. 21 Oct. 1798 [Sonntag].
108,18

Am Mitwoch, mein guter Oertel, fahr’ ich wieder in einen neuen
Welttheil hinein; aus dem mich nichts bringen sol als ein Ehebette,108,20
auf das ich mich dan legen und betten wil bis zur lezten Ruhe der
Ruhe. Das Beste und Schönste, was mein Kopf seit einiger Zeit
hervorgebracht und womit ich in keiner Geselschaft kahl erscheinen
werde, sind — Haare, die das Reisdekokt deiner lieben Sophie heraus-
getrieben hat. Jezt bin ich zu brauchen.108,25

Von der Berlepsch scheid’ ich wieder ziemlich ausgesöhnt.

In der Altenburger Bank sizen jezt 500 rtl. preuss. cour. von mir,
durch den Kammerpräsident v. Thümmel. Der Schriftsteller besuchte
mich; er ist ein redlicher etwas schwer auszusprechender Germanismus.

Von meinen noch nicht einmal angekündigten Palingenesien mus 108,30
vielleicht, nach des Buchhändlers Bericht, in 1 Jahre eine neue Auf-
lage gegeben werden, weil so viel nach dem Norddeutschland, Bremen,
Lübek, Hamburg, Koppenhagen gieng.

Wenn ich Lessings oder dein Auf und Abschiffen in der Welt bedenke: 109,1
so komt mir der Lärm, den ich innerlich über meine zweite Ausfahrt
(in die 3te Stadt) erhebe, lächerlich vor. Und doch schikt mir dieser
ewig blaue Himmel des Herbstes zu viele Gedanken des ewigen Weg
gehens und beklommene Träume der Einsamkeit zu, in die ich auch in109,5
Weimar komme.

So treibe mich denn, Geschik, bis du mich auf dem rechten Beete
deines Gartens hast!

Und mögest du, mein Oertel, der du vor deiner Otaheiti-Insel die
unruhigen suchenden geworfnen Schiffe vorübereilen siehst, ungestört109,10
deinen sanften Himmel und deine blühenden Brodbäume und das Herz
behalten, das in sanftem Frieden an deinem liegt!


Fr. Richter

N. S. Eben las ich deine actio contra Schleg. wieder im Merkur
und fand sie recht philosophisch gedacht und treffend gesagt.109,15

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Leipzig, 21. Oktober 1798. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=III_142


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959. Briefnr.: 144. Seite(n): 108-109 (Brieftext) und 427 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 4 S. 8°. K: Oertel 21 Okt. i: Wahrheit 6,38. J: Denkw. 1,370×. 108,19 Am Mitwoch] Den 24ten K 21 lezten] nachtr. H 24 mit Haare beginnt die zweite Seite H 26 ziemlich] nachtr. H 30 noch nicht einmal angekündigten] nachtr. H 32 dem Norddeutschland] nachtr. H 109,10 ungestört] nachtr. H 12 an deinem] aus an dem deinen H

108,28 Hans Wilhelm von Thümmel (1744—1824), Kammerpräsident, später Minister in Gotha, Gründer der Landesbank, Bruder des Dichters. 30–33 Eine Ankündigung der Palingenesien erschien erst am 7. Nov. 1798 im Intelligenzblatt der Allg. Literaturzeitung, Nr. 161; s. Nr. 157. Zu einer neuen Auflage kam es nicht. 109, 1 Oertel war u. a. in Rußland gewesen. 14 Actio contra Schleg.: s. 96,20 †.