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Korrespondenz

Von Jean Paul an Renate Otto. Weimar, 28. Februar 1799.

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Weimar d. 28 Febr. 99 [Donnerstag].
158,7

Meine gute Renate! Daß wir uns fast so selten schreiben als be
gegnen: daran sind — Sie schuld, da Sie mein erstes Blätgen aus
Leipzig ohne Antwort liessen. 158,10

Gleichwohl gieng oft in der Dämmerung Ihr Bild und unsere Ver
gangenheit mit mir auf und ab. Und in meinen Briefen that ich oft die
Fragen eines treuen Herzens über meine ewige Freundin.

Ueber mein jeziges vielfach und oft schön verschlungenes Leben kan
ich Ihnen nirgends etwas sagen als auf — Ihrem Kanapee. Und auf158,15
dieses sezt mich der Frühling, den diesmal noch der Friede schmücken
wird.

Nach meiner Post-Rechnung kömt dieser Brief am Dienstage, also
am lezten Tage Ihres Jahres, gleichsam am heiligen Abend und
Sonabend einer Lebenswoche an. Gute Renate, an Sonabenden158,20
waren wir ja immer beisammen. Ein lezter Tag ist mir rührender als
ein erster. An jedem lezten bereuet der Mensch die Sorgen des vorigen
Jahrs; er sagt zu sich: „die eingetroffene Sorge war ein früherer und
verdoppelter Schmerz, und die widerlegte war ein unnüzer.“ Und was
bleibt dan aus einem ganzen langen Jahre für die Erinnerung?158,25

Hingegen jede erstrittene Freude wohnt ewig in dieser und kömt
immer wieder, indes der verbitterte Tag früher stirbt als das Leben.

Gute Renate, ich möchte an Ihrem heiligen Abend neben Ihrem
Herzen sein, und Ihnen den Freund zeigen, der noch keines vergessen
hat. — Sei glüklich, liebe Seele, und — wenn das auf dieser wilden158,30
Erde zu schwer ist — sei fest und hoffend!


Richter

Grüsse deinen Man, und deine Eltern; und bring es der lieben
Paulline bei, daß sie noch einen Pathen hat, der sich auf sie freuet! —

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Renate Otto. Weimar, 28. Februar 1799. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=III_215


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959. Briefnr.: 218. Seite(n): 158 (Brieftext) und 446 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)
Siglen

H: Jean-Paul-Museum, Joditz, ehem. Dr. G. Doehler. 4 S. 8°. K: Renate 1 März[!]. J: Täglichsbeck S. 102. A: IV. Abt., III.1, Nr. 156. 158,23 eingetroffene] davor gestr. rechtm[ässige] H 26 dieser] der Brust K

158,9 f. Irrtum; Renate hatte Jean Pauls ersten Brief aus Leipzig (Nr. 2) beantwortet. 16 Zum Frieden kam es damals nicht. 18–20 Renatens Geburtstag war am 9. März; Jean Pauls Berechnung stimmt also nicht. 21f. Vgl. I. Abt., VIII, 218, 6 .