Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 11. Juni 1799.
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Lieber Otto! Ist der Titan nicht schon hinter dem Postillon:
so
rekommandier’, aber frankier ihn nicht. Ich harre hungernd
auf dein
langes Urtheil, Ordel, Urtella,
Ardalium, Gades Ordel. — Ich
habe mich nun
unveränderlich geändert, ich gebe nämlich zu Ostern
1800 —
wegen Zeit-Enge, wegen der Aurora etc. — nur 1 Band und
203,15
1 Bändgen, seze jenem aber noch ein langes dir auch
bestimtes Kapitel
zu, das die Geschichte bis (inclus.) zur Himmelfarthsnacht volendet.
Zu Michaelis
komt der 2te. Was sol ich jagen und darüber mein jezt
bis auf den Nerven-Faden abgetragnes Leben
zers[chlizen?] —
Amöne sagt mir von einem pro patria
oder a 〈ex〉 patria Papier
203,20
oder libellulum gegen mich,
das mir meine Landsleute wie einer
Marktdiebin auf die Brust
hängen. Thue 〈Sage〉 niemand von meinen
Freunden etwas
dagegen, lasset es auslaufen. Vogel in Arzberg ist zu
edel, es gemacht zu haben. Lieb ist mirs, daß mein Vaterland
doch Ein
mal etwas Gedruktes von mir hat,
das ihm — ich hoff’ es — ein un203,25
vermischtes Vergnügen gewährt, dessen es gewis nicht unwürdig ist.
Indes mag ich das libellulum nicht
lesen.
Puphka hat mir auf eine Bitte um 1 Bouteille Zyperwein
für
[die]
Herder, ders Arzenei ist, recht höflich — geschwiegen. Lass’
ihn
doch befragen, ob er sie erhalten.203,30
Lies zuweilen die Erfurter Zeitung; Herder wil darin meine
ihm
besonders befreundeten Briefe
rezensieren.
Ob ich gleich noch nicht da war, so glaubt mir doch, daß der längste
Zwischen- und Spielraum meiner Abwesenheit die schöne
Jahrszeit
ist, die wenigstens mit dem Nachsommer aus
wird.203,35
Sag’ es dem alten Man, am Freitag trink ich auf sein Wohl- und
204,1
Besser sein, aber leider aus eignen Gläsern.
Ich kan jezt leicht von einigen Herzogen
Gratis-[Titel] bekommen
und werde einen
[annehmen], um nicht wie ein
[Hund] herumzulaufen
[mit naktem] Namen.204,5
Du bist mir fast ein gestorbner Verwandter, so sehn’ ich mich nach
deiner dauernden Anwesenheit; man lebt so nur halb; und Briefe
sind
so wenig! Doch hab’ ich endlich fast im Herderschen Hause deines,
und wir sagen uns gegenseitige Noth und Lust. Eh ich einen
neuen Faden
anziehe, wird er dort geprüft, gemessen, gerekt
mit wahrem Verstand204,10
von beiden Seiten.
Grüsse die 2 pythagor[äischen] Schwestern
und die 3te, die Brüningk
und d[einen]
Bruder, Emanuel. Leb wohl!
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 11. Juni 1799. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=III_278
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin JP. 3¾ S. 8° (defekt). K (nach Nr. 274): Otto 11 Jun. J 1: Otto 3,85 ×. J 2: Nerrlich Nr. 61. A: IV. Abt., III.1, Nr. 216. 203,18 Was] Warum K darüber] nachtr. H 19 Nerven-] nachtr. H zerschlizen] ergänzt nach K (H defekt) 22f. von meinen Freunden] nachtr. H 24f. Einmal] aus einmal H 30 sie] aus meinen H 204,1 und] oder K 3–5 ergänzt nach K (H defekt)
203,20 –27 Über das unter dem Titel „Shakal, der schöne Geist“ erschienene, wahrscheinlich von dem Rektor Helfrecht verfaßte libellulum s. meinen Aufsatz „Ein zeitgenössisches Pasquill auf Jean Paul“ in der Zeitschrift für Bücherfreunde, N. F. IV (1912/13), S. 297—308. 28 Puphka: s. Bd. II, Nr. 389† und Otto 3,103. 31f. Nicht geschehen. 204, 1 Der alte Mann: Herold, der aber am 15. Juni, also am Sonnabend Geburtstag hatte. 204, 12 zwei Schwestern: es sind wohl Friederike und Renate Otto gemeint; Amöne kehrte erst am 13. Juni nach Hof zurück.