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Korrespondenz

Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 10. August 1799.

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Weimar d. 10 Aug. 99 .

Ich legte das Blat her und schrieb das Obige — und zwar für die Sydow; auf einmal mach’ ichs an dich, mein Guter! Ich gedenk’ es mit meiner Reise nach Hof so zu karten: ich besuche als eine R[eichs] K[ammergerichts] Visitazion das Vogelschiessen in Rudolstadt und dan euch. Sag’ aber Carolinen (und niemand) nichts; ich wil sie im Tumult überraschen; find’ ich sie nicht — was kaum glaublich ist, obwohl zu ertragen bei der Menge, worin ich mitgienge — so bleibt mir sie immer in Hof gewis. Doch sage meiner Sophie in Hohenberg ein Wort; nur lasse sie vorher schwören aufs Schweigen und halte eine gute Eidesverwarnung. — Dich anlangend, so bitt’ ich dich sehr um Flaschenbier; etwas köstlicheres kan ich aus allen fränkischen Wein kellern und Bischof- und Punschessenz-Buden nicht holen. Und dan wollen wir beide nach so langer Zeit endlich ein erschöpfendes Wort reden. Es verdriesset mich daher jezt jede Neuigkeit, die ich schreiben sol; sie kan unmittelbar von der Lippe in das Ohr überlaufen, nicht den langen Weg über die Feder durch das Auge. — 14 Tage kan ich bleiben; und Gott gebe, daß ich keine Stunde länger festsize. — Übrigens wil ich mich durch dieses Blat nicht sehr gebunden haben — schlechtes Wetter, ein Zufal kan meinen Mantelsak wieder auspacken; dich blos wil ich ein wenig binden, damit du nicht gerade in Bayreuth bist. — Ich ändere sehr am Titan und folge dir mehr als ich und du dachten. — Nach deiner Schwester sehn’ ich mich sehr; ich werde wieder morgends im krumarmigen Stuhl sizen hart am Fenster und sie wird kommen mit ihren freundlichen weiten Augen und sich an den Sessel stellen und ich werde die Feder über das Dintenfas legen und sizen bleiben und sie recht herzlich küssen — exempla suntpergrata ac perjucunda.

Ich habe mir auf der Chaussee von Erfurt hieher einen innern Friedensplan entworfen, den ich seelig halte; ich bin anders, die Welt ist anders; seit dieser inneren Kraft blüht in mir ein festes Paradies, ohne besondere äussere Blumenerde, Dünger, Thau und Sonnenlicht. —

Eine reizende jungfräuliche Brittin kenn’ ich — ihr junger Man war bei mir — man kan nicht schöner angeblikt werden als von ihr. Ich liebe sie innig und sie mich — so weit es geht. — Glaube mir, täglich lernet man sich mehr an schöne Gesichter und Herzen gewöhnen und wil nur jene. — „Macht die hintere Gartenthüre auf, ich komme heute“ schrieb immer A[möne]; so werd’ ich auch bei euch einschleichen. — Und das lasse mir zu, sorgendes Schiksal! —


R.

Lasse bei Gelegenheit meinem Gottlieb mein Annähern sagen.

Sende diesen Brief schnel ab und sicher, da er eine wichtige Angelegenheit eines Herderschen Sohnes betrift.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 10. August 1799. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=III_301


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959. Briefnr.: 305. Seite(n): 221-222 (Brieftext) und 469 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 4 S. 8°. K: Otto den 11 Aug. J 1: Otto 3,153. J 2: Nerrlich Nr. 66×. 221,19 das Obige] den Datum K 23 niemand] vielleicht niemanden H 26 sage] aus sag’ H 27 aufs Schweigen] nachtr. H 222, 2 Übrigens] aus Inzwischen H 3 schlechtes] Schlim K 4 binden] aus gebunden haben H damit] aus daß H 7 morgends] nachtr. H 14 in] nachtr. H festes] nachtr. H 15 besondere] nachtr. H 17 jungfräuliche] nachtr. H 21 „Macht] davor gestr. Ich werde hinten H 22 bei euch] nachtr. H 26 er] aus es H

Friederike Otto hatte im Brief an J. P. IV. Abt., III.2, Nr. 233 geschrieben, am 20. August hole Liebmann (Karoline Herolds Bräutigam) die Herolds auf das Vogelschießen in Rudolstadt (ein beliebtes thüringisches Volksfest) ab. 222, 7 im krummarmigen Stuhl: vgl. 123,16 .