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Korrespondenz

Von Jean Paul an Renate Otto. Weimar, 9. August 1800.

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Weimar d. 9 Aug. 1800.

Meine gute Renate! Mein Brief sol sogleich mit einer Bitte anfangen. Ich habe einmal ein Kochbuch von Ihrer Frau Mutter und aus ihm den Namen: „Suppe à la Brittanière mit Locken“ für meinen Titan geborgt. Der Erbprinz von Gotha wil seinem Onkel, der nicht an die Suppe glauben wil, eine zum Geburtstag kochen, und ich versprach ihm den Titel des Kochbuchs und die Zubereitung der lockigen Suppe. Daher bitt’ ich Sie um beide, aber verschieben Sie die Nachricht nicht ganz bis auf den zweiten Geburtstag.

Geben Sie mir auch eine lange von sich und Ihren Geliebten und Ihren Freuden. Wie hat ein einziges Jahr Hof für mich entvölkert! Wenn ich einmal hinkomme, werd’ ich gerührt meine noch einzige Jugendfreundin suchen und mit ihr auf die frühere volle Zeit zurükblicken. Niemals wird meine gute Renate unter den vielen Gestalten meiner Erinnerung unsichtbar werden, und auch sie wird mich nie vergessen.

Im und zum Winter blos zieh’ ich nach Berlin, wo ich mehr Freunde habe als je in meinem Leben Feinde.

Das schön gefärbte mit Silber gestikte Eheband, das mich fest gemacht hätte, hab’ ich mit meinem Federmesser zerschnitten; aber das Wesen, das das eine Ende in der Hand hat — das andere ich — wird ewig von mir verehrt und geliebt.

Grüssen Sie Man, Kinder, Schwestern, Eltern und Albrecht recht innig. Schreiben Sie mir wenigstens die wenigen Neuigkeiten, die Ihr H. Vater weis; oder lieber recht viele; und überhaupt recht viel. — Brechen Sie doch dem Lesen einige Stunden ab zum Schreiben. — Lebe wohl, liebe Seele! Ich denke sanft und liebend an deine Vergangenheit und an dein weiches Herz und an jede Stunde, wo wir gut und seelig waren!


J. P. F. Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Renate Otto. Weimar, 9. August 1800. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=III_498


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959. Briefnr.: 512. Seite(n): 358-359 (Brieftext) und 520 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: Renate 9 Aug. * J: Täglichsbeck S. 107. B: IV. Abt., III.2, Nr. 340. A: IV. Abt., III.2, Nr. 419. 359,7 hat] hält K

Nach A war das Kochbuch nicht mehr aufzufinden. Vgl. I.Abt., VIII, 83,5† (Titan, 16. Zykel). Der Onkel des Erbprinzen, Prinz August von Gotha (1747—1806), hatte am 14. August Geburtstag. Schlichtegroll schreibt im IV. Abt. (Br. an J. P.), III.2, Nr. 359 (9. April 1800), Prinz August habe sich beklagt, daß Jean Paul ihn nicht besucht habe. 359, 10 f. Vgl. 100,11 †.