Von Jean Paul an Carl August Matzdorff. Hof, 9. August 1794.
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Der Himmel durchsticht seine Dämme und so siz’ ich wie ein be
lagerter Holländer hier im Regenwasser und kan nicht nach Berlin. Ich
17,15
freue mich, daß ich ein Versprechen gegeben, das ich
nicht halten kan,
weil es Ihnen Anlas gab, gegenwärtigen JP.
[?] aus der Stechbahn
in Ihr Haus zu rufen. — Hier haben Sie dafür den ganzen
Gipsabgus
meines innern Menschen, woran ich bisher mit einem solchen
mich
aufleckenden Feuer gebildet habe, daß ich gegenwärtig
etwas von der17,20
schönen Farbe der jezigen Strohdamenhüte —
eine Art gelber Kopf
Schneckenhäuser —
aufzuweisen vermag und in meiner Haut aussehe
als hätt’ ich
eine skalpierte um mich geschlagen. — Die Schalttage,
die ein wenig Philosophie ausschiffen.... Wenn es nur mit
dem
ersten Theil auf die Welt käme, wärs eine Steisgeburt,
wo der Kopf17,25
des Kindes erst nachkömt ... Meine Bitte
wäre für einen andern
beschwerlich; aber soviel ich gehört —
und auch gesehen — habe, so
hat es Ihnen der Gott Pluto leicht
gemacht, dem Musengott eine
Gefälligkeit zu erweisen. — Jener Man wird entweder
typographische
Gleichheit mit den Mumien wählen oder doch
die Aehnlichkeit. — H.
17,30
römische kaiserliche Dukaten, die auf den Briefen das
Zeichen haben,
das in der Musik den erhöhten Ton bedeutet — Wie sehr ichs
brauche,
würden Sie weniger errathen, wenn ich Ihnen nicht
hinterbrächte, daß
ich mich verliebt habe. Ein Mensch, der
immer fremde Geliebte für die
Presse malet, sieht sich zulezt nach einer eignen um, an der
nichts ge17,35
drukt ist als der —
Kattun. Ich habe mich daher schon im 2ten Heftlein
umgesehen und umgethan und bin gegenwärtig Bräutigam. Nun
kan18,1
man 4, 5 Hunds[post]tage verwenden, bis
man der guten Braut nur
etwas an den Rumpf oder an die Ohrläpgen
gekauft habe — wie ich
denn die meinige fast ins ganze erste
Heftlein kleiden lassen, kleine
Schnurpfeifereien noch
abgerechnet, wobei Vorrede, Extrablätter und
18,5
philosophische Winke drauf gehen ... Könte Sie diese
Geschwindigkeit
genieren: so würd’ ich Sie bitten, mir die
Hälfte jener Hälfte zu
übermachen und die 2te einen Monat später. — So — und nun gehen
wir mit
einander aus dem Handlungskomptoir in [die]
Wohnstube
zurük und legen uns ans Fenster und sehen, wer auf
der ordinairen Post18,10
sizet. Ich wolte ich sässe darauf
und läge an Ihrem Fenster. — Ich
hatte mir schon 20 Risse von
den Freuden bei Ihnen gezeichnet — ich
war überal mit Ihnen
hingegangen, sogar in des Moriz vorige
Wohnung — und an seine jezige — du
guter seeliger Geist, ich hätte
doch etwas Zurükgebliebnes,
doch einige Erdspuren deiner ab18,15
geflognen Gestalt gesehen und doch das Grün und die Blumen, die um
deine eingebrochne sonst so schwer bewegte jezt so ruhige Brust
umher
wachsen, mit meinen Thränen berührt und dein Freund,
der dich nicht
vergessen kan, hätte mir die Hügel gezeigt, wo
er sonst mit dir glüklich
war. etc.18,20
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Carl August Matzdorff. Hof, 9. August 1794. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_15
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K: Mazdorf in Berlin d. 9 August 94. i: Nachlaß 4,248. A: IV. Abt., II, Nr. 7.
Vgl. Nr. 12. Mit dem Manuskript des Hesperus, für dessen Verlag Richter, wie aus A hervorgeht, drei Bedingungen stellte. Die beiden ersten, die wahrscheinlich die Ausstattung und den Zeitpunkt des Erscheinens betrafen (vgl. 29, 14f.), wurden von Matzdorff bewilligt. Im dritten Punkte, dem Honorar, schlug er einen „gütlichen Vergleich“ vor: statt der von Richter geforderten Summe wolle er nur 200 Taler gleich zahlen, bei einer 2. Auflage aber für den Bogen 1 Friedrichsdor. 17, 14f. Vgl. I. Abt., V, 235,1f. 17 An der Stechbahn in Berlin (beim Schloß) lag Matzdorffs Wohnung, in der Richter logieren sollte. 24 Es ist wahrscheinlich zu ergänzen: folgen später nach; vgl. Nr. 18†. 28 Pluto: statt Plutus; s. I. Abt., VIII, 247,36†. 31f. Vgl. Bd. VIII, 140,17. 18, 1–6 Richter hatte sich mit Karoline Herold, Amönens jüngerer Schwester, verlobt; vgl. Bd. I, Nr. 445 und 448; I. Abt., VII, 482,17–24. 18 Freund: Matzdorff.