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Korrespondenz

Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 20. August 1795.

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Hof d. 20 Aug. 1795.
Mein theuerer Freund,

Ich mag nicht einmal von meinem Fenster herab auf der Gasse dem Siege der Gewalt über die Unschuld zusehen; aber noch bitterer wird der Anblik, wenn wir jede Wunde durch das Glas der Freundschaft vergrössert sehen müssen. Wenn man die Seele das ganze Jahr vom Hasse rein gehalten: so mus er sie erfüllen gegen den Uebelthäter, der an unserer Brust unsern Freund durchstöst. Lassen Sie mich nichts sagen, Unschuldiger und Gekränkter, was alle Ihre Freunde hier bei dieser Zusammenstellung fühlen müssen.

Aber Ihr Advokate hätte gegen Erlang Eben überlas ich Ihren Brief wieder, wo Jena steht: anderswo hört’ ich „Erlang“ — welches ist wahr? , wo die Universität immer einen Sukzessionskrieg und eine partie à la guerre gegen Judenschaft fortsezt, exzipieren sollen. — Und Sie appellieren, wenn Sie es nicht gethan haben. Beim Himmel! wie wollen Sie einer kothigen Seele, die ihre Minen im Koth anlegte, um Sie in die Höhe zu sprengen, die mit fremder Ehre und mit eigner ein leidliches Ende des Prozesses erkaufen wolte, wie wollen Sie dieser nicht zutrauen, daß sie ein gutes recht gern mit dem Himmel bezahlen werde? Manche Edelleute brechen lieber einen Schwur als ihr Wort. Kurz ein Kind des Teufels ist auch ein Enkel der Grosmutter des Teufels.

Ungerechtigkeiten der Menschen rizen tausendmal tiefer in die Brust als die des Schiksals. Sie wurden in eine stoische Fechtschule der Geduld-Toleranz geschikt, in der noch wenige Schüler sizen. Das erste bei der Politur des Diamanten ist, ihm seine Hülle zu nehmen: das Schiksal bröckelt schon lange an Ihrer körperlichen Hülle, aber es nimt Klauen dazu, stat Hände.

Ich hoffe — was Sie aber vor Hof verschweigen sollen — bald einen Monat in Bayreuth zu verthun. Die frohen Wirbel der Freundschaft und der Natur alda ziehen mich in immer engere Kreise und endlich gar in den Mittelpunkt hinein nach Bayreuth.

Tausend Grüsse von mir — von Otto — an Sie — an Schäfer. — Ich habe nicht vergessen, wie hoch bei den beiden leztern die BriefSchuldenpost, die sie zu fodern haben, noch stehe. Aber ich rage kaum mit der Nase aus dem Schwalle der Papiere und Arbeiten heraus. — Du liebe Vorsehung, die du die Schlange an das Herz meines Freundes schiessen liessest, du wirst sie wieder abnehmen und den Gift ausziehen und die Wunde zudecken!


Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 20. August 1795. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_154


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958. Briefnr.: 155. Seite(n): 105-106 (Brieftext) und 425 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: Emanuel 20 Aug. *J: Denkw. 1,32. A: IV. Abt., II, Nr. 53. 106 ,7 u. 37 Erlangen J 33 den Gift] so wahrscheinlich K, das Gift J

Vgl. zu Nr. 149. Es handelt sich um den Prozeß, den Emanuel wegen der erlittenen Mißhandlung (s. Bd. I, zu Nr. 441) angestrengt hatte. In A schreibt er: „Meine Sache war zum zweiten male in Jena, und zum ersten in Wittenberg. Beim Himmel! ich appelliere da hinauf! Mein Zeitliches hat nur ein Mensch in Händen, der noch keinen glücklich machen wollte; aber — er schwört nicht.“ 106, 28 Nach „Schäfer“ scheint ein Name ausgefallen zu sein, vermutlich „Ellrodt“, den Richter dann strich, da er ihm gleichzeitig schrieb.