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Korrespondenz

Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 23. Oktober 1795.

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Hof d. 23 Okt. 95 [Freitag].
Geliebter Rechtschaffener,

Möge der Tag Ihrer hiesigen flatternden Erscheinung, dieser abgekürzte Nachsommer, der meteorologisch aussen und psychologisch innen vor uns einen blauen Himmel aufthat, noch mit einem so schönen und langen Abendrothe in Ihrer Seele stehen wie in unsern allen! — Möge mein Emanuel noch glüklicher sein als der, der es hier wünscht! — Denn für mich Unersätlichen giebt es seit meinem Blicke in die hiesige Vergänglichkeit und Einschränkung aller höhern Freuden wenig mehr als Seufzer im Glük und Hofnungen des Jenseits. —

Dem Aufsaze hab ich ausser der Bitte, daß Sie mir ihn auf den Dienstag (exclus.) wieder schicken, nichts mitzugeben als den Wunsch, daß er die Stunde, in der ich mit allen Wesen dieser Erde und mit mir selber Frieden schlos, weiter gebe. Troz der leichten spielenden Einkleidung sind alle Säze darin des strengsten Beweises fähig: ich sage alles frivol was ich ernsthaft meine: leider ist gerade die Neigung, über alles zu scherzen, nach nichts zu fragen, und Reichthum und Armuth, Freude und Schmerz für grösser[e] Nachbarn und für kleinere Dinge anzusehen als die Leute erlauben, eine Folge von der Ueberzeugung der ganzen hiesigen irdischen Bettelei, die nicht werth ist daß man sich hier um etwas anders bekümmert als um die Tugend. Ich weis nicht warum mir heute das Herz so vol ist. Leben Sie wol.


Ihr ewiger Freund Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 23. Oktober 1795. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_181


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958. Briefnr.: 182. Seite(n): 122-123 (Brieftext) und 431 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Bibl. Gotha. 2½ S. 8°. J 1: Morgenblatt, 2. Okt. 1828, Nr. 237. J 2: Nachlaß 5,248. A: IV. Abt., II, Nr. 60. 122,20 psychologisch] physochologisch 24 Blicke] aus Blik 30 selber] aus auch 31 des strengsten] aus eines strengen 123,3 etwas] nachtr.