Von Jean Paul an Christian Otto. Hof, 9. November 1795.
Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.
Diese Lieferung wird wahrscheinlich die lezte schriftstellerische
Plage sein, die ich dir in diesem
Jahre mache. Du gehst dan einem
langen Sabbathsjahr entgegen.
Thu’ es also, sei so gut, eilig ab,126,5
damit ichs den
Dienstag abends, oder Mitwochs früh schon wieder
habe, weil ich
allemal nach einer kleinen Abwesenheit das meiste
hineinzusezen
finde. — Dein voriges Blätgen hat, Einmal aus
genommen, überal Recht gehabt, im Errathen
und im Beweisen. Ich
wolte den vierten Manipel besonders machen
— als lezten — und126,10
weil ich Zeit hatte — und weil 7
rtl. für den Bogen viel ist u. s. f.
Nach dem Lesen deines
Urtheils fällete ich das nämliche beim Lesen
des 4. M. — Das
obige Einmal bezieht sich auf deine Konjektur
über die Hochzeitrede: sie fiel mir erst vier Zeilen nach
ihrem Anfang
ein — wenige Einfälle ausgenommen, fuhr mir die Rede wie sie
ist126,15
heraus — sie wurde mir so leicht, daß ich sie
(und natürlich, da der
Stof so gros ist wie die ganze
alg[emeine] Weltgeschichte) nicht das
Herz hatte, umzugiessen, aus Angst, sie werde noch einmal so
dik —
und für den Leibgeber kan wegen der künftigen grossen
Kardinal-
Biographie nichts tol genug sein, ob er
dort gleich nur ein[e] Neben126,20
rolle bekömt — und das Gefühl eines
Humoristen wie Er sein sol,
drükt sich weniger bei einzelnen
Fällen als bei der Übersicht des
ganzen Geschlechtes richtig
aus. —
Ich mus eilen: die Kinder sizen schon vor mir. — Das weisse Papier
im Epilog ist kein Urtheil darüber wie sonst. —126,25
Helfe dir auf einmal heraus und schaffe mir zugleich einen Beutel,
ein Barometer (für 1 pr. rtl.) und folgendes Informat:
schreibe mir
nämlich den spizbübischen
Gang des Siebenkäsischen Prozesses
blos kurz bis etwan zur Appellazion
an die Reichsgerichte — und
bescheere der Krähe einen Schwanz.126,30
Ich mögte dir recht danken für jedes geschriebne Wort, und weis
nicht wie.
alter Freund
Richter
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Christian Otto. Hof, 9. November 1795. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_190
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin JP. 3 S. 8°. K (nachtr. im 4. Briefbuch nach dem vorigen) ohne Überschrift. J: Otto 1,293. B: IV. Abt., II, Nr. 61. A: IV. Abt., II, Nr. 62. 126,6 oder Mitwochs früh] gestr., aber wiederhergest.; dahinter*), aber keine Note dazu H 13 Einmal] aus einmal H 17 so gros ist wie] nachtr. H 21 Er] aus er H 22 weniger] aus am wenigsten H 23 richtig] nachtr. H 28 spizbübischen Gang] aus Prozesgang H 30 einen] aus den H 31 mögte] aus möchte H (vielleicht auch umgekehrt; vgl. 117, 29 , aber 180,9 )
Mit der (vom 7. Nov. datierten) Vorrede zu Siebenkäs. Vgl. B: „Es scheint mir, ... daß die [!] vierte Manipel ein wenig abstechend geworden sei gegen die vorigen, ... und daß darin deine Manier mehr prädominierend, aber zum Schaden einer umfassenden Energie, auch mehr gesucht sei als in den vorhergehenden Manipeln. Es kommt mir sogar vor, als wenn du den Entschluß, nicht alles in Einem Bändchen zu vollenden, sondern einen Theil der Geschichte auf ein anderes aufzusparen, vor Ausarbeitung der vierten Manipel gefaßt, und als wenn dich die von dir selbst erhaltene Freiheit ein wenig schwelgerisch gemacht hätte ... Den Brief von Leibgeber, ob er gleich mit ein wenig (wenigstens für mich sichtbarer) Anstrengung aus einem schon vorhandenen Vorrath aufgenommen zu sein scheint, rühme ich ...“ 126, 21–23 Vgl. I. Abt., XI, 113,24f. (Vorschule der Aesthetik, § 32.)