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Korrespondenz

Von Jean Paul an Charlotte von Kalb. Weimar, 28. Juni 1796.

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[Kopie, z. T. Konzept]

[ Weimar, 28. Juni 1796 ]
218,15

In den bunten Mondschein des Traumes fuhr der grelle Bliz und
das niederbrechende Meer der Wolken überzog alle Blumen der
Phantasie. Ich dachte, der Himmel reisse meine bisherigen Tage, in
denen ich aus einem Blumenkelch in den andern sank, mit dem Donner
keil ab und der Bliz lecke über unsre kleine Welt. — Die Sehnsucht ist218,20
das 〈die〉 feine das Herz auseinander legende aqua toffana. Der
Mensch bezahlt jede Freude mit einem doppelten Schmerz, dem der
Sehnsucht und der Sättigung: nur mitten innen zwischen der Stunde,
wo man das Sehnen fühlt, und der 2ten, wo man es befriedigt hat,
liegt das Paradies, nämlich die 3te, wo man es befriedigt — Die218,25
Erwägung unserer abbrevierten [oft] von der nächsten Minute
beschlossenen Zeit, [unsers innern hohen Verlangens und der äussern
Oede mögen diesen Gesinnungen in Ihrer Seele immer mehr Glanz
bereiten und Sie zugleich ruhig und seelig machen! — Das] ewige
Wachsthum der Freuden, die die Aufopferung giebt, das fort218,30
gehende Verdorren der Freuden, die die äussere Nachbarschaft verleiht,
[möge in deinem Herzen den heitern Glanz der Gotheit immer mehr
ausbreiten! Der Mondschein unsers Lebens liegt nahe am hellen
Glanze des ewigen Morgens.]

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Charlotte von Kalb. Weimar, 28. Juni 1796. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_345


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958. Briefnr.: 346. Seite(n): 218 (Brieftext) und 462-463 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: An die Ostheim. i 1: Wahrheit 5,129 u. 138× (mit Nr. 338 u. 344 vereinigt). i 2 (nicht nach K): Denkw. 2,14 (20. Juni 1796). A: IV. Abt., II, Nr. 111. Die Überschrift von K ist vor 218,20 Die Sehnsucht nachgetragen; jedenfalls ist aber auch schon das Vorhergehende, soweit es nicht mehr zu Nr. 344 gehört, an Charlotte gerichtet. Der Anfang bis 218,25 befriedigt lautet in i 2: O Freundin! ich bin, ich schreibe, ich lebe noch — aber dennoch in einen bunten Mondscheintraum fuhr der Blitz und trübe Wolken bedeckten die Phantasie. Dieser reiche Kranz, den mir Erkennen wand, ist nun verwelkt. — Ich rettete vom Leben wenig und werfe es über die kleine Welt. Ich habe heute wieder die zersetzende Sehnsucht, deren feine aqua toffana das Leben auseinander legt. Wir bezahlen jede Freude mit einem doppelten Schmerz: mit dem öden Trübsinn der Verlassenheit — mit dem Schmerz der Sehnsucht. Die Schmerzen der Sehnsucht sind das einzige Mittel die Sehnsucht zu ertragen, ja selbst sie zu versüßen. 218,25 f. Die Erwägung] Das stille Erwägen i 2 27 die äußere i 2 29 ewige] fehlt i 2 30 Freude, welche i 2 das bis 31 verleiht] fehlt i 2