Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Hof, 1. Dezember 96.
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Dasmal, lieber Oertel, hab’ ich doch eher einmal Zeit, dir einen
langen Brief zu schicken — denn ausser dir und Müllern hab’
ich weiter
274,25
niemand zu schreiben als Matzdorf — Herder — Wernlein
—
Emanuel — Lübek — Elrodt — der Kalb — der Herder — der
Schukman — der Kropf — der Krüdner. Und da ich mich dasmal
bei
Ahlefeld nicht mit der Menge meiner Briefe entschuldigen kan:
so
entschuldige mich mit meinem Bücherlesen — Bücherexzerpieren
—274,30
Büchermemorieren und Büchermachen, wozu ich wenn
nicht lange
Nächte doch kurze Tage brauche.
Ich glaube wie du, daß die Xenien mehr Gesumse machen als
Giftblasen ausleeren. Göthes Idylle und einige von Kosegarten
recht-
fertigen den Namen Musen-Almanach.
Schiller opfert leider seine
275,1
grosse Manier der Göthischen. — Unsere Rezensionen sind
noch
schlechter als unsere Gedichte. Die über mich helfen mir
merkantilisch
viel, und ästhetisch wenig. Es giebt für einen
Autor keine nüzliche
Kritik als die weitläuftige, z. B. in der
(sonst engherzigen) Bibliothek
275,5
der schönen Wissenschaften. Der Himmel verleihe mir nur
einmal Zeit
zu 24 Bögen kritischen Inhalts, zumal wegen der
Theorie des Romans.
Ich behaupte, was interessieret, mus fortschreiten: nur
vermengt
Rezens. Mangel an äusserer Akzion mit dem Dasein
innerer, ohne die
jene keine ist.275,10
Hier schick’ ich dir viel von mir, noch nas von der Presse, der De-
zember mach’ es nicht auch nas.
Die Kürze, die ich jezt meinen Briefen gebe, nehmen natürlich auch
die Behauptungen darin an, die daher einen diktatorischen
Schein
bekommen. Der Schein irre dich nicht; aber leider
überlass’ ich die275,15
Beweise dir und sende nur die Theses.
— Jezt füge den Müllerschen
Brief an deinen hier und lese weiter. Ich danke deinem Herzen
für
das Geschenk eines neuen. Lebe fröhlich und ruhig und
vergieb deinem
Freund nicht nur das Schweigen sondern auch das
Reden.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Hof, 1. Dezember 96. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_469
Kommentar (der gedruckten Ausgabe)
SiglenH: Berlin JP. 4 S. 8°. K (nach Nr. 442): Oertel 1 Dec. J: Denkw. 1,344. 274,24 Oertel] aus Oerthel H 27 Lübek —] nachtr. H 275,5 weitläuftige] aus detailliierte H
Mit Übersendung des 2. und 3. Bandes der Blumenstücke und der Geschichte meiner Vorrede. Über Siebenkäs spricht sich Oertel in einem Brief an Amöne Herold vom 17. Dez. 1796 (Koburg) trotz einiger Bedenken sehr begeistert aus. (Daraus ist das Zitat Wahrheit 5,35f. genommen.) 274,33 ff. Der Xenien-Almanach enthält von Goethe „Alexis und Dora“ (vgl. 212, 8†), von Kosegarten „Die Harmonie der Sphären“, „Arkona“ u. a. m., von Schiller u. a. „Das Mädchen aus der Fremde“, „Pompeji und Herkulanum“, „Klage der Ceres“, „Der Besuch“. 275, 8–10 Die zu Nr. 465 angeführte Rezension vermißt in den Biographischen Belustigungen fortschreitende Handlung.