Von Jean Paul an Johann Christian Conrad Moritz. Hof, 1794 oder 1795.
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Ich hätte meinen Morgen nicht satirischer verbringen können als
daß ich um mich den Luzian, den Thümmel und die Peri- und Para-
phrase des Hogarths zu legen hatte, die
burleske Todtengräberszene
44,15
auf der Gasse nicht einmal mitgerechnet, wo die
Zuschauer fast alle
zum zweiten und die Akteurs zu meinem
Geschlechte gehörten. Du
hattest mir das Meiste schon gesagt,
aber so kont’ ichs erst besser
überdenken zumal neben den
gestochnen 〈gerade ein solches chn machst
du〉 Blättern.44,20
Dazuzusezen zu deiner Oktapla (wenn Lichtenbergs Uebersezung die
Septante ist) hab’ und weis ich nichts, weil ich überhaupt
unter allen
Menschen am wenigsten einen Kupferstich, ein
geselschaftliches
Räthsel oder dergl. zu entziffern
verstehe, obwol leichter zu verziffern.
Ich wil lieber 20
Räthsel machen als 1 lösen. — Desto lieber musten44,25
mir
deine, besonders um das Nachtstük, sinreich zusammengestelten
Randglossen sein. Ich hab es probiert und wolte noch einen oder ein
Paar glükliche Züge selber erfinden und habe die Nacht lange
an
gesehen — aber bis jezt hab’ ich noch
keinen. Wenn du deine Aus
legung eben so
leserlich machst als sie lesbar ist: so kanst du sie —44,30
welches ich thäte — dem Lichtenberg selber schicken, zumal da er sich
zum Auffinden der hogartischen Schäze auch fremde Wünschelruthen
in der Vorrede ausbittet. Leb wol, Lieber, und schicke mir
bald
wieder etwas.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Johann Christian Conrad Moritz. Hof, 1794 oder 1795. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_49
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin JP. 1½ S. 4°. 44, 19 das chn ist der Ottoischen Handschrift nachgeahmt 23 am wenigsten] nachtr.
Terminus a quo ist das Erscheinen der 1. Lieferung von Lichtenbergs „Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche“, Mai 1794; terminus ad quem Juli 1796, wegen der Schreibung wol (Z. 24 u. 33). Otto hatte anscheinend im Anschluß an Lichtenberg oder im Gegensatz zu ihm (vgl. 296, 27) eine Ausdeutung der Hogarthischen „Tageszeiten“ versucht. 44, 14 Luzian: wahrscheinlich die Wielandsche Übersetzung (1788—89). Thümmel: die „Reise ins mittägliche Frankreich“, vgl. Bd. I, Nr. 368†.