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Korrespondenz

Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Hof, 23. Dezember 1796.

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Hof. 23 Dec. 1796 .

Ich schreibe dir noch vor deiner Antwort auf meinen lezten Brief. Meiers Lorbeerkranz kan mich doch nicht so erquicken als der Vergismeinnicht- und Myrthenkranz deiner Liebe, die mir mit solcher Freude jeden Ris zu einem Triumphbogen zuschikt. Du liebst mich viel zu sehr und achtest mich viel zu sehr. In Meiers Brief find ich, so sehr mich seine Empfänglichkeit und seine Lobrede und seine Erstarkung entzükte, eine sonderbare Mischung von Kultur und schäumender Aufbrausung, eine Mischung, die Jugend und Schmerzen zugleich voraussezt. Meinen selber brausenden Hesperus aber mus er in längern Inter vallen lesen, weil sonst die zusammengedrängten Stralen zu stechenden Brenpunkten werden. —Für jeden seiner Briefe würd’ ich dir herzlich danken: du enträthst sie kurz.

In 14 Tagen wird Beigang den Jubelsenior erhalten, der ihn gleichwohl, ob ich ihm gleich 12 Ld’or schenke, doch 50 kosten wird. Dan fang ich die Revoluzion meines Hesperus an: weist du tadelnde Rezensionen, oder entsinst du dich aus der deinigen etwas, was ihn bessern kan, so bitt’ ich dich sehr darum. Doch werd’ ich ihn mehr vergrössern als verbessern, mehr Geschichts-Mörtel und Zwiksteine nachmauern als Altes einreissen.

So oft ich deine Briefe an mich oder Amöne oder Stellen aus den leztern lese: so kömt mein alter Wunsch zurük, daß du ein platonisches Gespräch oder etwas ähnliches über die Liebe weniger machen als aus deinen Briefen exzerpieren möchtest. Du hast, ausser der Lokazion und Auffädelung nichts weiter daran zu machen, so schön ist das Kleid, und so schön dessen Inhalt. — Schreibe mir die nouvelles du jour von Göthe. — Lebe wohl! Und das neue Jahr gebe deiner Seele, die ihren weichen Flügel zu oft an der harten Erde wundschlägt, Ruhe und Hofnung und ein frohes wie im freien Aether schlagendes Herz!


Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Hof, 23. Dezember 1796. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_492


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958. Briefnr.: 493. Seite(n): 283 (Brieftext) und 490 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 4 S. 8°. K Oertel 23 Dec. J: Denkw. 1,345×. 283,9 jeden bis zuschikt] gestr. K 31 weichen] nachtr. HK zu] so K 34 die Fußnote steht ohne Verweiszeichen am Rande der Seite H

283,17 f. Vgl. 249, 32–37. 29f. Goethe war vom 29. Dez. 1796 bis 2. Jan. 1797 in Leipzig; vgl. 292, 28f.