Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 19. März 97.
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Einen sehr langen Brief würd’ ich Ihnen schreiben, wohnten Sie
unter mir in N[ord]Amerika; einen noch
längern, wären Sie im
Mars — obgleich die Erde jezt diesen Planeten spielt — und
einen307,25
längsten, wohnten Sie im Uranus, dieser
Gränzstadt unsers Systems.
Aber da ich Sie in 2½ Wochen gewis sehe d. h. besuche, vielleicht
früher: so brauch’ ich nur 2 Blätgen.
In 14 Tagen sind meine Winterarbeiten geschlossen, deren Abschlus
ich der Presse mit meinem Worte verbürgte.307,30
Ich arbeite wie die Schulmeister, im Winter für meine Ferien im
Sommer, und verschreibe die kurzen Tage, um die langen zu
ver-
reisen. — Ich habe bisher fast keine Briefe erhalten, als
zankende —308,1
der schönen Krüdner bin ich
3 Antworten schuldig, d. h. ich habe ihr
nicht geschrieben seit sie aus Bayreuth weg ist.
Mit 1000 Freuden bezieh ich Ihre Stube. Das sezen Sie ohnehin
voraus, daß ich überal im Empfangen und Geben die Freiheit
voraus308,5
seze, worunter keine fremde
leidet. — Ach wir solten alle in diesem
geflügelten und so bald
eingeäscherten Leben uns um nichts zu
scheeren brauchen als um
unser — Gewissen, aber nicht um Schneider,
Schuster,
Modejournale, Zeremonienmeister, geist- und weltliche
Räthe etc. —308,10
Ich danke Ihnen für die Briefe am meisten, die ich kopieren mus
— in meine Exzerpten: Ihr Name steht oft darin. Ihre Land
trauer
der Natur um Rabbinen gefiel mir. —
Ich habe mit den nächsten Posten 5 Bouteillen Champagner
Wein
vonnöthen. Sind sie draussen zu bekommen und jezt zu
verschicken: so308,15
bitt’ ich Sie darum.
Wäre die Post nicht: so hätt’ ich Ihnen erst morgen abends ge
schrieben, weil übermorgen mein Geburtstag ist. Wie hätt’
ich, mein
geliebter Emanuel, die lezten Tropfen in der
Wasseruhr meines
Lebensjahres schöner und lichter fallen sehen
können, als unter dem308,20
holden Licht, das Ihr Bild auf
sie wirft?
Ich hätte mir alle Ihre herzlichen Wünsche für mich, selber gesagt
und sie Ihnen wiedergegeben — ich hätte Ihre Gestalt vol
Liebe,
gerührt mit dem Auge des innern Menschen angesehen
und wäre Ihnen
mein Theuerer, an die entfernte Brust gefallen
und hätte blos gesagt:308,25
wir werden nie getrent —
Ach mein guter Emanuel das sag ich ja heute und an jedem Tage
meines Lebens! —
Meinen herzlichsten Grus an unsern Simultan-Freund Schäfer!
308,30
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 19. März 97. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_559
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: SBa. 4 S. 8°. K (nach Nr. 554): 19 März Emanuel. J: Denkw. 1,62×. B: IV. Abt., II, Nr. 179. A: IV. Abt., II, Nr. 183. Vermerk Emanuels auf H: beantw. 21ten. Am Geburtstag. 307, 21 19] 1 aus 2 HK 23 würd’ ich ... schreiben] schrieb ich K 25 die] unsere K 27 2½] aus 3 H 308,1 fast] nachtr. H 6 worunter] aus womit H 15 draussen] nachtr. H 21 holden] davor gestr. so H 24 gerührt] aus vol Rührung H innern] aus verhülten H
308,12 f. Vgl. B: „Mein Stübchen weint wie die Säulen im Palast zu Cäsaria beim Tod des Rabbi Aphahu, wenn’s nicht bald das Ihrige heißt.“