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Von Jean Paul an Ludwig Gotthard Kosegarten. Hof, 28. Juni 1797.

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[ Hof, 28. Juni 1797 ]
346,32

Ich bin froh, daß wir unsre Hände durch das Medium des Papiers
vereinen und wenigstens einerlei berühren. Sie solten diesem Buch eine
Verklärung durch Auferstehung gönnen, indem Sie blos gewisse347,1
irdische Theile in der Erde liessen. — Nicht blos wegweisende, auch
tragende Arme — Kant ist ein Bayle, Jakobi [ein] Leibniz, jener
hat mehr Dialektik, dieser mehr Meta-physik, jener macht uns
sein unbekantes X für ein U des Realen vor, dieser giebt uns347,5
dieses. — Nicht dem Werthe des Gesangs, sondern des Gegenstandes
must’ er [Schiller] die Stelle Ihrer andern Gedichte versagen. —
Nicht bei sondern aus mir herausgekomme Werke. — Meine Seele
schlingt sich jezt mit Armen und Flügeln an den Titan an, der
wenigstens typographisch einer ist: nun fühl’ ich die Stösse des Erde347,10
schifs nicht mehr und sehe nichts als das, was ich male. — Mit dem
Frühling fieng ich mich an. — Im Wasser der elterlichen Thränen
wird Ihnen der Stab, worauf Sie sich lehnen, gebrochen vor
kommen. Möge diese Seele — da eine weibliche nicht wie wir den
Bliz des Schmerzes durch Bücher ableitet — sich an der festern Brust347,15
entladen und möge sie immer lang an Ihnen weinen, nur nicht so
bitter.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Ludwig Gotthard Kosegarten. Hof, 28. Juni 1797. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_654


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958. Briefnr.: 655. Seite(n): 346-347 (Brieftext) und 516 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: Kosegarten 28 Jun. B: IV. Abt., II, Nr. 201. A: IV. Abt., III.1, Nr. 24. 347,12 Im bis 14 vorkommen.] mit Blei gestr. (s. I. Abt., V, 200,21) 13 lehnen] aus stüzen

Ludwig Theobul Kosegarten (1758—1818) hatte Jean Paul brieflich seine Verehrung ausgesprochen und ihn um Subskription zu der neuen Ausgabe seiner Poesien gebeten. (Sie erschien 1798 in 2 Bänden zu 6 Büchern, deren letztes „seinem Freunde Friedrich Richter zugeeignet“ ist.) Das Buch, dessen Auferstehung Jean Paul wünscht, ist nach A „Ewalds Rosenmonde“ (Berlin 1791). 347, 6f. Kosegarten hatte geschrieben, er habe vor anderthalb Jahren eine „Elegie an Jean Paul“ an Schiller gesandt zur Aufnahme in den Musenalmanach oder in die Horen: „Er hat manches (meinem Gefühl nach) Schwächere von mir aufgenommen, aber nicht dieses Lied. Ich muß also fürchten, daß es wenig tauge ...“ Vgl. IV. Abt. (Br. an J. P.), II, Nr. 121. Die Elegie ist abgedruckt in den aus dem Herderschen Kreise stammenden anonymen „Briefen eines ehrlichen Mannes aus Weimar“ (1800), S. 58. 8 Nach A gab J. P. hier eine Aufzählung seiner bisher erschienenen Werke. 11f. Auch Kosegarten hatte seinen Geburtstag angegeben. 12–17 Kosegarten hatte seine beiden jüngsten Kinder verloren, und seine Frau war darüber trübsinnig geworden.