Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Hof, 22. August 97.
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Wie gros mein Brief-horror naturalis sei, soltest du aus
dem
Schweigen auf solche Briefe wie deine schliessen, worin
eben so viel
Gluth als Schimmer ist und deren Schwungfedern
eben so lang sind365,35
als glänzend. Ich schreibe jezt fast keine Briefe mehr als —
erste: den
zweiten haben Wenige aufzuweisen ausser dir. Nun
zieh’ ich vollends366,1
auf immer von Hof
nach Leipzig (mit meinem Bruder) in den Strudel
der Arbeiten, Bücher, Lustbarkeiten, Bekantschaften — Dan
braucht
hoff ich das Schiksal nicht so viele
Maschinenmeister mehr, um unsere
Körper-Karyatiden
zusammenzurücken und wir umarmen uns unter366,5
den Augen des
3ten Freundes.
Die Kropff gieng, als ich im Egerbade war, hier durch zurük.
Sie
bleibt die ewige milde zona
temperata.
Verzeih die Kürze! Du weist nicht, wie ich dein Herz liebe und deine
Talente achte: ich brauche zu meiner wärmsten Liebe für dich
kaum366,10
deine Briefe, geschweige meine; aber zu meiner
Freude brauch ich jene.
Lebe glüklich!
N. S. In Mahlman find’ ich ein ungemeines Talent für den
elegischen Ausdruk der Empfindungen: aber wie sol ich
einem nie366,15
Gesehenen einen zweiten Brief schreiben?
[Adr.] Ihro Hochwohlgeboren dem H. Regierungsassessor v. Ahle
feld in Berlin. d. E.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Hof, 22. August 97. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_684
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin acc. ms. 1931. 27 (derzeit BJK). 3 S. 8°; Adr. auf der 4. S. K: Ahlefeld 22 Aug. J: Dietmar Nr. 3. B: IV. Abt., II, Nr. 174, 191, 220. A: IV. Abt., III.1, Nr. 11? 365,33 soltest] davor gestr. erken[st] 35 Schimmer] danach (Wiz) K
366,6 Der dritte Freund ist wohl Fr. von Oertel, dem aber Ahlefeldt nicht sonderlich gefallen hatte. 7 Die Kropff: Ahlefeldt erwähnt im IV. Abt. (Br. an J. P.), II, Nr. 220 den „Durchgang der Venus durch die Hofsche Sonne“. 14ff. Siegfried August Mahlmann (1771—1826), Jean Pauls nachmaliger Schwager, hatte den Winter 1796/97 in Berlin verbracht, wo Ahlefeldt sich mit ihm anfreundete; vgl. B (Nr. 170): „Du kennst und liebst Mahlmann aus seinen Briefen; ... er verehrt dich enthusiastisch ... er begrüßt dich durch mich ...“ (Nr. 188:) „Das was ich dir hier schicke ist das Vermächtniß des guten Mahlmanns, welches er hier zurückließ und das ich dir als executor übermache — wenn du ihm antworten willst, so sende mir deinen Brief ...“ 19 M. = Matzdorff.