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Korrespondenz

Von Jean Paul an Caroline Herder. Berlin, 28. April 1801.

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Berlin. d. 28 Apr. 1801.

Vortrefliche schnelle Freundin! Dank für die Eile, mit der Sie mir das Zeugnis senden, als ich kaum meine Bitte um dasselbe, angekommen glaubte. — Das dreimalige hiesige Aufgebot hält mich bis kurz vor den Pfingsttagen hier fest; diese aber wil ich unter den Weimar schen Blüten feiern. — Ich befürchte für die an Leibe und Seele so gesunde Luise nichts von meinem Geschreibsel. Man macht oft den Autor für einen Schaden verantwortlich, der schon früher im weiblichen Herzen — durch Nervenschwäche oder durch Liebes Unglük — arbeitete. Die Poesie sol nicht das blosse platte Repetierwerk des Lebens sein; aber eben so wenig wird eine Gesunde das Leben für ein Repetierwerk der Poesie ansehen und etwa glauben, Klopstoks Engel oder des Hesperus Emanuele zögen beleibt ins staubige Altags-, Mon-, Dienstags-, Mitwochs- etc. Leben herein. Nicht nur der Tod, sondern auch die Krankheit wil ihre Ursache haben; besonders die geistige und man sucht sie immer in der lezten Diät. Der gute Paul verdient in diesem Punkte seelig zu werden, weil er seelig macht und nicht verdamt.

Die Schlabrendorff wird bald durch Weimar gehen; sie verdient recht viele Liebe von Ihnen allen für ihre; — und für ihren Werth, den ich jezt seit ihrer nähern Kentnis und seit der Kentnis ihrer volendet erzognen Tochter mit ganzer Seele achte.

Unendlich freu’ ich mich auf die Weimarschen Stunden und auf den Herzensbund, den Sie gewis mit meiner Caroline schliessen. Sie werden finden, daß nur diese für den tollen Romanskribenten paste. Mitten im Kreise so vieler schöner und guter Mädgen lern’ ich doch sie immer stärker lieben, je länger ich sie sehe. — — Leben Sie froh! Alle in und an Ihrem Herzen seien aus dem Grunde des meinigen gegrüsset!


R.
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Caroline Herder. Berlin, 28. April 1801. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_120


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 124. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 3 S. 8°; auf der 4. S. Adr.: Frau Vicepräs. Herder Weimar. K: Die Herder 28 Ap. J 1: Herders Nachlaß Nr. 38 (18. Apr.). J 2: Denkw. 3,79× B: IV. Abt., IV, Nr. 123. 66,23 immer] nachtr. H

66 , 13–24 Karoline Herder hatte geschrieben, ihre Tochter Luise sei jetzt eine eifrige Jean-Paul-Leserin: „Wenn Sie mir sie aber durch die Harmonika-Empfindung und Romantisierung verderben, so kündige ich Ihnen ewige Feinschaft an.“ Vgl. den Schluß der 8. Jobelperiode des Titan (I. Abt., VIII, 205,22ff.).