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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann Gottfried von Herder. Berlin, 6. November 1800 bis 11. November 1800.

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Berlin. d. 6. Nov. 1800.

Ewig Geliebtester! Ob ich gleich nichts zu sagen und nichts zu — beantworten habe: so kan ich doch kein Paquet nach Weimar gehen lassen, worin nichts wäre für oder gewisser, an Sie. — Daß Rei chards neue Oper (im gallischen Geschmak) Tamerlan gegeben worden, kan den nicht sehr interessieren, der sie nicht gehört; ja bei manchen Stellen interessiert nicht einmal das Hören.

d. 11 Nov.

Ich wolte, glaub’ ich, am 6. Nov. noch ferner behaupten, daß Reichard den Hörer in alle schönen Empfindungen versezt, nur nicht ins Erstaunen; er hat alles so berechnet, daß der Zuhörer auch mit berechnet unter dem Geniessen.

Gelehrte Novitäten für Sie sind hier schwer zu haben. Vom Erb prinzen von Meklenburg, mit dem ich einmal as, hab’ ich den wärmsten Grus zu überliefern. Er sagte mir, daß die Königin nicht die kleinste Reise mache, ohne einen Herder — wie die Buchhändler sagen — mit in den Wagen zu nehmen. Der Hof wil bemerkt haben, daß sie roth wurde, als sie Sie in Weimar anredete. —

Hier wiegt der Geschäftsgeist über die Kunst vor; und in den Gelehrten stekt — wenn ich so hart von ihnen reden darf bei so weniger Kentnis derselben — zu viel Merkel’sches. Man sehnet sich fast wieder in die genialische Spizbüberei in Jena und Weimar zurük.

Verzeihen Sie dieses öde Blätgen. Ich habe nichts. Mein Geist schmachtet oft nach Ihrem h. Abendmalstisch. Der Geist Ihrer Werke schwebe mit seiner Heiterkeit über Ihnen selber und gebe sie Ihnen immer! — Alles sei herzlich gegrüsset! —


Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann Gottfried von Herder. Berlin, 6. November 1800 bis 11. November 1800. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_25


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 25. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin acc. ms. 1901. 192 (derzeit BJK). 4 S. 8°. K (nach Nr. 27): Herder 13 [!] Nov. J: Herders Nachlaß Nr. 35. 18,10 ferner] nachtr. H 26 selber] nachtr. H

18,4 Paquet: s. Nr. 29. 5f. Die Berliner Erstaufführung von Reichardts Oper „ Tamerlan“ fand am 16. Okt. 1800 statt; Jean Paul sah die 5. Aufführung am 5. Nov. 19 Die Begegnung zwischen Herder und der Königin Luise fand am 3. Juli 1799 in Weimar statt.