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Korrespondenz

Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Coburg, 18. Juni 1803.

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Koburg. d. 18. Jun. 1803 .

Beinah’ in derselben Zeit haben wir beide unsere Städte verlassen, nur mit umgekehrtem Tausch-Gewin. Hieher wünsch’ ich Sie erst 6 Wochen später, weil da erst der Hof aus seinem Badorte gestiegen ist und Sie doch höhern Orts geigen sollen und wollen. Ich merk’ erst, daß ich unnüz kallygraphiere. Hier erstand ich Federn, 25 à  3 rtl.; daher die Hand. Ich wünsche herzlich — ausser Ihrem Urtheil über Titan IV — recht viel von Ihren vergangnen und kommenden Lagen und Ihren Gedanken, Thaten, Meinungen und Sitten zu wissen. Ich hab’ Ihnen ein Geschmak Geschenk (wie kan man un wilkürlich sich so verschreiben! wiewohl eben wird unter mir gut gegeigt; und doch denk’ ich erst hier an die Aehnlichkeit —) ein Geschenk gemacht, nämlich Emanuel, wofür Sie mir wenn nicht ein Leben, doch dessen Beschreibung schulden 〈schuldig sind〉. Eure Doppelliebe erfreuet mich innig. — Sehen Sie Oertel? Grüssen Sie ihn von mir herzlich, ja, gehen Sie deswegen zu ihm.

„Flegeljahre“ heisset der Roman, dessen 2 erste Theile 1804 von mir herauskommen. — Meine schöne besonnene, heftige und doch nicht leidenschaftliche Emma-Idoine möcht’ ich ordentlich drucken lassen, damit nur die Welt sie sähe; Sie können sie aber hier in ihrem Bettgen sehen und ich freue mich darauf. Tagelang könt’ ich mit ihr spielen, wäre nicht das Publikum mein Spielkind oder der Musenvater. — Sagen Sie mir auch fremde Urtheile über den Titan.

Wenn ich anders noch die Lebens-Antiquitäten-Reisen noch in diesem Jahre durch meine Kindheitspläze,d. i. nach Hof, Jodiz, Wonsiedel etc. zum Bruder Rendant. von Bayreuth aus, mache: so könten Sie auch mit, fals Sie vorher da wären.

Meinen Grus an die unvergesliche Feind; und sie solle beim Satan arbeiten, daß ihre Käuferin meiner alten Betten mich weniger betröge als bezahlte.

D[es] Erlanger Meusels Bruder verkauft 〈giebt〉 mir hier Bücher, Federn, Dinte, Papier und jedes Schreibmaterial; des Bruders Bruder rasiert den berühmten Autor und mit wahrem Vergnügen auf beiden Seiten.

Leben Sie wohl, mein Alter, Guter und schreiben Sie lieber multa als multum, oder gar viele Viels.


J. P. F. Richter Votre très-humble Serviteur Jean Paul Fréderic Richter.

[ gestrichen: On badine, on plaisante, on rit quelquefois, on se délasse, mais sans vous lasser ]

Meine Frau liebt und invitiert und grüsset Sie. Der Spiz II ver spricht — weiter weis er Politesse nicht zu treiben — Sie nicht bei dem Arm zu nehmen mit dem Gebis.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Coburg, 18. Juni 1803. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_381


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 388. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin Varnh. 213 (derzeit BJK). 4 S. 8°. K: Thieriot 18. Jun. J: Denkw. 1,445×. 224,2 merk’] sehe K 7 Geschmak] gestr. u. wiederherg. H 8 gut] nachtr. H 10 nämlich] aus durch aus an H 15 besonnene] aus kla[re] H 17 Welt] davor ganze K 24 beim Satan] aus doch H 27 Des Erlanger] nachtr. H 29 wahrem] nachtr. H 32 gar] aus doch H 35 très-humble Serviteur] aus Serviteur humble H 225, 2 mais] nachtr. H vous] nachtr. H 4 Politesse] davor gestr. die H

Thieriot erhielt den Brief am 29. Juni in Leipzig. Die ersten Zeilen sind sehr sauber geschrieben. 224, 25 Vgl. Bd. III, Nr. 442†.