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Korrespondenz

Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 8. Mai 1804.

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Koburg d. 8. Mai 1804.

Nach einem Sehnenden sehnt man sich wieder. Ihr unerwarteter Brief brachte mir viel, da ich mir Ihr Schweigen nur durch eine Reise rechtfertigen konnte, auf die man Sie statt Ihres H. Bruders ge schickt hatte. Ich saß in Arbeit bis an die Schreibfinger; denn 20 Druck bogen sind 40 andere Bogen. Auch hatte der Frühling die Blumen, die er mir sonst reicht, bisher noch in seiner Erde. Wollen Sie Ihren fleißigsten Korrespondenten, mich verlieren, indem ich nach Bayreuth ziehe? Ich weiß, Otto wird Ihnen rathen, mir eher ab- als zuzu rathen; „denn Er bildet sich sonst wieder alles Schöne vor mit seiner Phantasie, so wenig Ers glaubt, ob Ihm gleich drei Städte schon widersprechen“ wird er sagen.

Nach Gotha, dessen Gegend ich hasse wie mehr da, schrieb ich blos eine Bitte, den neuen Herzog über die Pensionen auszuforschen, die er mir auswerfen würde; denn ohne diese dächt’ ich nicht daran. Der Bücher- und Gelehrtenverein da, der in Bayreuth fehlen wird, ge fällt mir. Wie wenig ich von hier wegzugehen dachte, wird man aus den Packwagen voll neuer Möbeln sehen, womit ich mich und sie beladen. Ohne Sie und Otto bliebe mir Bayreuth trotz Bier und Gegend unaushaltbar; und so sehr mich mein Herz immer wieder ins Vaterland zurückzieht, so mein’ ich doch mehr das poetisch vor gemalte als das wirklich im Dreck dastehende.

Ob ich Renaten einen Kupfer-Stich von mir geben kann, weiß ich noch nicht. Das Schlimme ist, daß jeder Stich 8 oder 12 rtl. kostet, wozu man freilich einen Jahrgang der eleganten Zeitung darein be kommt.

Eben jetzt trank ich den allerletzten Tropfen bayreuther Bier aus. Der Fuhrmann wird (das gebe Gott und Sie) einige Krüge 〈3, 4, 5, etc. etc.〉 Trost mit in die Kutsche zurück nehmen, damit ich mich so lange damit decke, bis er einen vollen 2½ Eimer Ende dieser Woche oder Anfangs der andern mir zugebracht. Die leeren Fässer bringt er dann Ihnen bis auf ein mir gestohlnes kleines. Ich werde Ihnen einmal länger erklären, wie ich mich und den kleinen Vorrath bis daher 〈einen Winter durch〉 gefristet habe.

Meine politischen Verhältnisse müßten Sie unendlich interessieren und frappieren; aber ich vertraue einer Fuhrmannstasche nicht gern die wichtigen Brief-Belege. — Unser guter Thieriot hält, besonders gar wenn er das ganze Nest und alle Fliegen unter Einer Klappe in Bayreuth nämlich auch mich findet, wahrscheinlich um die Regiments geiger-Stelle an, um wenn nicht davon, doch bei uns zu leben. — Ich habe nur nicht den Muth Ihnen zu gestehen, daß ich mich sehr auf künftigen Herbst freue; — doch auf meine Verwandtschaft und Bekanntschaft von Rendanten, Balbierern und Höfern am wenigsten, der ich lieber alles gebe als mich. Der Rendant beleidigt mich, so oft er an Sie schreibt.

Wahrscheinlich dedizier’ ich mein Buch dem todten Herzog von Meiningen. Meine Frau wollt’ an Amoene schreiben; thuts aber wahrscheinlich mit der Bier-Post.

Nun guten Abend, mein Alter! Es ist sehr Zeit, daß Sie, wenn nicht mich, doch meine ewig wachsendenz. B. Emma kommt heute von unten herauf an meine Museums-Thür und schreiet: Vater und stört dessen Sieste. herrlichen Kinder-Schöß linge sehen, die sich kein Jahr lang gleich bleiben, nicht einmal in der Zahl. —


Des Treuen Treuer R.

Otto bekam doch mein letztes Paquet?

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 8. Mai 1804. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_464


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 471. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: SBa. 4 S. 8°. Vermerk Emanuels: — 20 beantw. K: Eman. 8 Mai. J: Denkw. 1,159×. A: IV. Abt., IV, Nr. 348. 291,8 bisher] nachtr. H 9 mich] nachtr. H 17 Bücher- und] nachtr. H 19 Packwagen] aus Pakwagen H 22 mein’ ich] aus ists H 24 Kupfer-] nachtr. H 25 jeder Stich] aus diese Blätter H 26 wozu] aus wobei H 29 Der bis 30 nehmen] a. R. doppelt angestr. H 30 zurück] nachtr. H 31 vollen] nachtr. H dieser Woche] nachtr. H 32 andern] aus Woche H 292,1 die] aus so H 7 von bis Höfern] nachtr. H 15 lang] nachtr. H 17 Des Treuen Treuer] aus Der Treue dem Treuesten. H 34 heute] nachtr. H

291,12 drei Städte: Weimar, Meiningen, Koburg. 292, 8f. Vgl. 259,1 .