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Korrespondenz

Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 21. Juli 1804.

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Koburg d. 21 Jul. 1804.

Lieber Alter! Nun ist denn alles ins Reine. Der Himmel gebe nur, daß wir Ihnen in Bayreuth nichts mehr zu machen brauchen als Vergnügen und sehr wenig Plage. Unsere Abreise wird in der 2ten Woche des Augusts (den Datum erhalten Sie noch) einfallen, weil der drohende Regen kommen und seinen Festungsgraben um uns ziehen wird. Ich wollte, mir würde von der ehrsamen Bierbräumeisterei ein Deputatus mit einem Schleifkännchen entgegengeschickt auf halben Weg, um mich zu empfangen, so lechz’ ich. — Max ist jetzt der ge fährlichste Nebenbuhler Emmas und kann sie stürzen; so ruhig ver sitzt er seinen ganzen Tag auf seiner Stube, studiert was er sieht, hat größte Geistes- und Leibes Elastizität, hat stets ein seeliges Lächeln bei der Hand und will außer sich kommen vor Lust, wenn man nur thut als wenn er da wäre. Nun leuchtet mir die Aehnlichkeit, die er mit mir haben sollte, endlich auch ein. — Unbeschreiblich freu’ ich mich auf Thieriot und auf das Komische, das ich an ihm genießen werde. Wangenheim schrieb mir von seinem Beifalle in Wien und von dem neuen crescendo seines Spiels, das wieder in die alte, aber in Paris verklärte Originalität zurükgekehret sei. — Sagen Sie Otto, Meusel will für das bullarium (4 Okt[av]bände) 3½ rtl.; will er? —

Und ferner, daß ich schon aus Gewissen nicht im Stande wäre, den guten Holzapfel, ob dieser gleich den ganzen Zankapfel reif gemacht, zu verklagen; denn ich bin mir bewußt, daß ich ohne ihn den Wechsel noch länger hätte liegen lassen. — Ich habe oft gesagt, meine Biographien kopierten nicht mein Leben, sondern dieses jene. Seit den Notars Flegeljahren hab’ ich mit Notarien zu thun, die theils prote stieren, theils reprotestieren theils wie vor einigen Tagen nur mich zu Zeugen zitieren, nämlich im Palais des Feldmarschall’s, in welches der Herzog wenig mehr Leute hineinlässet. Letzterer schickte nämlich (nach dem Zeitungs Inserat der Prinzen) einen eigenhändigen Verbot an seine Dienerschaft, mit dem Prinzen zu essen oder umzugehen. Die Aussage eines Bedienten und seines Hofmarschalls, die das Nein der Dienerschaft auf die Einladung zurückgebracht, wurde nun vor 2 Zeugen, (ein österreichischer Offizier war der 2te) protokolliert. Jetzt zieht sich der Krieg auf die Thronen hinauf oder Fürstensessel. — Ich hatte noch 100 Dinge zu schreiben und das Blatt ist schon aus. — Sie oder Otto können mich sogleich für den August in den Zeitungs-Zirkel einrammen. — Die beiden Pakhofs haben für mich mehr Reitz als die schönsten Weiber, die ich seit vielen Jahren gesehen; solche Stimmen und seelenvolle Physiognomien und Seelen gehören dazu zur rechten pikanten innern Liebe. — Meine Aesthetik hab ich dem Herzog v. Gotha dediziert, wenn er die Dedikazion — welche in Deutschland die erste ihrer Art ist, aber nicht in England — wegen des Tons und der geheimen Strafpredigt zulässet, welche ihn vom Witze auf das Regieren verweiset. Leben Sie wol, mein Alter, Milder, Wilder!

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 21. Juli 1804. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_486


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 493. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: SBa. 4 S. 8°. Vermerk Emanuels: 26 Jul. beantw. K: Eman. 21 Jul. J: Denkw. 1,165. B: IV. Abt., IV, Nr. 356. A: IV. Abt., IV, Nr. 358. 303,33 mehr] nachtr. H 304,1 sehr] nachtr. H Plage] danach gestr. mehr H wird] aus würde H 21f. Biographien] aus Ro[mane] H 27 nach] aus seit H Zeitungs] nachtr. H 30 auf die Einladung] nachtr. H 35 Reitz] aus Reiz H 305, 5 wol] aus wohl H Milder] aus Sanfter H

Emanuel hatte für Richters ein Logis mit sechs Zimmern und Garten für 100fl. im Hause der Justizrätin Münch (der Mutter des Professors) gemietet. 304, 17 bullarium: s. 289, 31†. 25 Feldmarschall: Prinz Josias, s. 261, 18†; über das herzogliche Verbot an die Dienerschaft vgl. den „Bericht des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld an den Kaiserl. Reichshofrath über die Beschwerden der Prinzen Friedrich und Ludwig“, Koburg 1805, S. 303ff. 305, 5 Milder, Wilder: vgl. I. Abt., XIII, 21,31†.