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Korrespondenz

Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Coburg, 29. Juli 1804.

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Koburg d. 29 Jul. 1804.

Lieber Thieriot! Hübsche Zeiten thun sich uns auf. Sie beglückt nächstens mein Scherz, mich Ihr Gesicht dabei und was Sie etwan erzählen möchten. Es ist schwer zu errathen, mit welchem von unsern Kindern Sie sich am meisten abgeben werden; gewachsen sind Ihnen beide und geben zu rathen auf, z. B. mir die Erziehung. — Ich bitte Sie herzlich, daß Sie sich über die Flegeljahre ein vernünftiges Wort niederschreiben. Schonen Sie mich nicht dabei, nicht blos im Tadeln, auch im Loben; ich verwind’ es, sei es noch so stark, letzteres; das ist vielleicht der einzige reelle Gewinn aus einem langen Autorleben.

— Jetzt dank’ ich Gott, daß Sie den hiesigen Kapellmeisterposten ausgeschlagen. Sie erriethen mehr (ich möchte aber wissen wie) von der (jetzt gegenwärtigen) Zukunft als ich. Künftig fall’ ich Ihnen, insofern Sie sich auf politische Blicke einschränken, unbedingt bei. Überhaupt würden Sie in verwickelten Welthändeln mehr durchsetzen, wenn Sie Ihr Gesicht mehr zu verkappen wüßten und es so zu sagen ganz einfältig aussehen ließen. Nur ists nicht leicht; die feinsten Köpfe scheitern oft am eignen feinen Gesicht und wir wissen alle unsere Lieder davon zu singen. — Daß Spitzen eine Kugel durch die Hinter läufte geschossen worden, verdient eine eigne mündliche Erzählung und selber Besichtigung; aber er läuft wieder so gut wie ich. — Hier ist außer diesem nichts vorgefallen, als daß Bonaparte Kaiser geworden, worüber Sie — und wer nicht? — auch Ihre eignen Gedanken haben werden. Freund, ist das nicht Revoluzion der Revoluzion? Denken Sie dabei dem vergoßnen Blute nach! Thieriot, hätten Sie dieß wol erwartet, als Sie noch in Leipzig wohnten und spielten? — Daß aber die Musik keine bessere Behandlung von ihm zu erwarten habe als die Freiheit, dieß liegt wol in Reichards Briefen denk’ ich am Tage.

Leb wol bis auf Wiedersehen.


R.
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Coburg, 29. Juli 1804. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_489


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 496. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin Varnh. 213 (derzeit BJK). 3 S. 8°; die letzte Zeile und Adr. Thieriot auf der 4. S. K (nach Nr. 490): Thieriot 30[!] J. J: Denkw. 1,454. 307, 18 29] aus 30 H 20 nächstens] nachtr. H 24 daß Sie sich] nachtr. H 27 reelle] nachtr. H aus einem] aus eines H 30f. Künftig fall’ ich Ihnen ... bei] aus Ich werde Ihnen künftig ... beifallen H 32 würden] aus könnten H verwickelten] aus feinen H 34 ganz] nachtr. H ließen] aus lassen könnten H, liessen K nicht leicht] aus unglaublich schwer H 35 oft] nachtr. H 308,6 Thieriot,] nachtr. H wol] nachtr. H, wohl K 8 habe] aus hat H 9 dieß] nachtr. H wol] nachtr. H

308,9 Joh. Friedr. Reichardt, Vertraute Briefe aus Paris aus den Jahren 1802 und 1803, Hamburg 1804, 2. Bd., S. 97ff.; Exzerpte daraus im 37. Bande.