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Korrespondenz

Von Jean Paul an Christian Otto. Berlin, 23. Januar 1801 bis 28. Januar 1801.

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42,15
Berlin d. 23. Jenn. 1801.

Dasmal ist wenig Schreibbares da. Zuerst deinen Brief! Den
armen Sünder hab’ ich erst eine ¼ Stunde gesehen, die er Ahlefeldt
zugedacht, da er mich in einem andern Logis vermuthete. Ich weis
nicht recht, inwiefern mein Wort gegen seine Strafe oder für sein42,20
Anleihen wirken sol. — Meine C. hat gerade diese unendliche Liebe
für alle Wesen, die ich bisher mitten im Diamantenschmuk glänzender
Vorzüge vermiste. Sie führt des Vaters Wirthschaft. Ihre Kraft zu
resignieren und zu gehorchen ist eben so gros; ihre Liebe zu mir ists
zu sehr und sie glaubt im Ernste, ich habe keinen Fehler. Ich kan sie dir42,25
eigentlich durch keine Vergleichung heller zeigen. Ihre ihr ähnliche
Schwester war allein durch diese Aehnlichkeit im Stande, den über
alle Leipziger Schönen flatternden Mahlman auf ihre Hand herab-
zulocken. Was er schreibt, weis ich nicht. — Oertel schweigt, wahr-
scheinlich aus dépit. — Merkeln mus ich auf den Kopf treten, ohne 42,30
seines Fersenstichs zu erwähnen; ich mus für das bessere poetische Feld
mit arbeiten, in das er seine Steine wirft. Ich bin im komischen An-
hang wilder als sonst. Ich lege viele meiner Urtheile einem über ganz
Deutschland (in der Montgolfiére) wegschiffenden Giannozzo, einem
wilden Menschenverächter in den Mund, der blos in seinem Namen42,35
spricht. Der Titan wird nur 13 Bogen, der Anhang stärker. — —
Mache doch einmal dein Bändgen mit der Reformazion etc. fertig 43,1
(anstat in Monatsschriften zu schicken), damit ich die Vorrede dazu
anfange. — Ahlefeldt und ich haben es mit unserm Vorschlag viel
ehrenhafter für dich gemeint; nim nichts übel. — Der Karakter des
Thom. Morus wäre mein biographischer, wenn ich wieder einen male. 43,5

d. 28 J.

Herold eilt, daß ich nicht einmal an Emanuel und Amöne 3 Worte
fertig bringe, oder an dich 30 000. Ich hab’ ihm wenigstens ein Opern-
billet, wornach 100 vergeblich trachten, — weil die Oper gratis ist —
und ein Marschreglement für sein Geschäft verschaft. — Die Briefe 43,10
sende mir nicht wieder, wegen des ungeheuern Portos. — Emanuels
Auftrag wird besorgt. — Die Krüdner hat mich besucht. Sonderbar,
daß ich mein früheres Urtheil über ihre Darstellung nicht zurük
nehmen kan, indes ich doch viel klüger geworden zu sein meinte. —
Schreibe mir den Preis der Logis und des Holzes; und wie viel man 43,15
jährlich braucht. Seid ja ihr und der Liefländer D[oktor] und ein
Paar Neuerer da und viele, die ich kennen lerne, du aber noch nicht. —
Mit Fichte — mit einer herkulischen Stirn und Nase und wie eine
Granit-Alpe anzusehen — traf ich bei Fesler abends um 10½ Uhr zu-
sammen (ich kam aus dem gelehrten Kränzgen um meine C. von F. 43,20
abzuholen) und gieng ihn unbefangen an, disputierte heftig und meines
Wissens unbesiegt mit ihm bis 12 über seine Lehre und er versprach
mir freundlich, mich zu besuchen. — C. und ich danken dir sehr für
dein so schönes Blat an sie. — Wärst du nur, Lieber, äusserlich so
glüklich als du es von innen bist! — Der alte Man sah uns 3mal, 43,25
jedes mal 6 Minuten lang. — Die fast täglichen Butterbrode (alias
soupées
) sind meiner Gesundheit ziemlich unverdaulich, besonders da
ich sie weniger vom Teller als aus dem Glase geniesse. — Grüsse
meinen Mandel —(baum) und Amöne. Vale!

Das heimliche Klaglied und die wunderbare Neujahrsnachts- 43,30
geselschaft kommen in 1 Band heraus.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Christian Otto. Berlin, 23. Januar 1801 bis 28. Januar 1801. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_76


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 80. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 3⅔ S. 4°. K (nach Nr. 77): Otto 28 [aus 23] Jenn. J: Nerrlich Nr. 83×. B 1: IV. Abt., IV, Nr. 62. B 2: IV. Abt., IV, Nr. 78. A: IV. Abt., IV, Nr. 103. 42,17 deinen Brief] aus deine Briefe H 19 vermuthete] aus vermuthet hatte H 26 zeigen] aus geben H 31 Feld] aus Reich H 43,4 nichts] aus es nicht H 7 eilt] eilt so K

B 2 hatte der alte Herold überbracht, der mit Jean Pauls Hilfe in Berlin den Erlaß einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe zu erwirken hoffte, zu der er wegen Majestätsbeleidigung verurteilt worden war; s. Bd. III, zu Nr. 430. 42, 28 Mahlmann: vgl. Bd. III, Nr. 28, 26,18; Otto äußert sich in B 2 sehr abfällig über Mahlmanns Schriftstellerei. 30f. Otto meint in B 2, Merkels Angriff verdiene keine Erwiderung. 43, 4f. Auf Jean Pauls Frage nach einem für ihn passenden historischen Gegenstand (32, 4f.) hatte Otto Christine von Schweden, Zinzendorf, Hutten, Katharina II., Cromwell vorgeschlagen. Morus: vgl. Bd. II, Nr. 176, 117,23†. 12–14 Urteil über die Krüdener: s. Bd. II, Nr. 385, 235,27ff., 261,24ff. 15–17 Otto hatte von Bayreuth als künftigem Wohnort Jean Pauls abgeraten wegen der Teuerkeit und des Mangels an geistiger Anregung; vgl. 291, 10ff. Liefländer Doktor: Seebeck, s. Bd. III, Nr. 21, 19,25†. 29 Mandel: Emanuel, vgl. Bd. II, zu Nr. 36.