Von Jean Paul an Luise. Berlin, 10. März 1801.
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Verzeichnis derer, welche heute der schönen und edeln Königin Glük
Erstlich: alle —50,20
Zweitens: die Guten —
Drittens: die Künstler, welche durch Raphael an die
Unsterblich-
keit der Schönheit gewöhnt, sie auch
dieser wünschen müssen —
Viertens: die Unglüklichen. So viele Getröstete, so viele
Be
glükte, denen Sie die Thränen nahm,
werden sie heute wieder ver50,25
giessen;
aber nur für Sie, nicht vor Ihr und nur aus Liebe und Freude,
weil sie für ein Leben danken und beten, das so warm und freundlich
in manches trübe leuchtet. —
Fünftens: die Glüklichsten, nämlich Ihre Geliebtesten; Ihr Gemahl,
Ihre Kinder, Ihre Schwestern und Ihr Bruder — aber was die
nächsten50,30
Herzen dem nächsten gerührt und seelig
sagen, bleibt heilig verhüllet.
Auch der Verfasser des Verzeichnisses gehört in das Verzeichnis,
und steht schon in der zuerst genanten Klasse; aber die
Wünsche
seiner Seele sind so warm und aufrichtig, als
gehörte er in die dritte
und vierte.
50,35
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Luise. Berlin, 10. März 1801. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_93
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
J: Zeitung f. d. elegante Welt, 21. Mai 1801, Nr. 61.
Der Druck hat die Überschrift: „Zum Andenken des Geburtstages Sr.[!] Maj. der Königin von Preußen“ und am Schluß die Fußnote: „Das vorstehende Wort, zum diesjährigen Geburtsfeste der hochverehrten und allgeliebten Königin, von Jean Paul ausgesprochen, ist mir vom Freunde zwar nur zur Gewähr meiner Bitte, ohne Gedank’ an Publizität, mitgetheilt worden; die Intention aber, die es bezeichnet, steht in so schönem Bunde mit Feinheit des Sinnes und mit Originalität der Manier, daß ich in der Überzeugung, ein frohes Mitgefühl zu wecken, einen Entschuldigungspunkt für den Abdruck desselben bei Ihm, der ja so gern Gutes thut für die Guten, zu finden hoffe. Sp[azier].“ Gleim schreibt im Brief an J. P. IV. Abt., IV, Nr. 156: „Solch einen Brief können nur zwei schreiben: Friedrich Richter und Caroline Herder.“ Von Merkel wurde der Glückwunsch im 37. seiner Briefe an ein Frauenzimmer parodiert.