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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Berlin, 15. März 1801.

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Berlin d. 15. März. 1801.
54,33

Verehrtester Herr Vater! Verzeihen Sie meine späte Antwort,
welche, da Sie mein Ja voraussezen konten, doch nur ein deutlicheres54,35
ist. Zwischen uns ist die Offenherzigkeit mehr ein Genus als ein Opfer,55,1
da sie nichts zu zeigen hat als unsere moralische Übereinstimmung.


Zuerst das Wenige, was ich habe und was Sie (ohnehin wegen
einiger dabei interessierten Personen) verschweigen werden. In der
Altenburger Bank 500 preuss. Thaler und 2jährige Zinsen, in der 55,5
hiesigen Bank 300 pr. rtl. in Ld’or (welches in Meinungen gerade
1000 rtl. giebt) — über 500 fl. eine kön. preuss. Schuldverschreibung
— 100 Konvenzionstl. bei Herder — 100 rtl. pr. c. bei Ahlefeldt
samt 6 Ld. — 80 rtl. in Laubtl. bei einem Kaufman Liebman in
Rudolstadt — bei Buchhändlern, zur Ostermesse zahlbar, ungefähr 55,10
450 oder 500 rtl.; 70 rtl. in der Cassa rechn’ ich nicht, eben so wenig
einige 100 fl., die mir ein geliebter Freund vielleicht, vielleicht auch
nicht, wiedergeben wird. Ich wäre reicher, wenn ich früher den mer
kantilischen Werth meiner Mspte höher angesezt hätte; und wenn mich
nicht ein naher Verwandter in Leipzig bestohlen hätte, der lange aus 55,15
meinem damals unausgeliehenen Vermögen Pharao spielte und zulezt
all’ mein Gold und soviel er Laubtl. einstecken konte, ungefähr 600 rtl.
fortnahm. — 5, bis 6 Ld’or bekam ich bisher für den Drukbogen; bei
zweiten Auflagen wird die Hälfte des alten Honorars, ohne neue Arbeit
gezahlt. Erleb’ ich nur noch 8 oder 10 Jahre, so geb’ ich meine opera 55,20
omnia,
die jezt schon 26 Theile machen — welches fürchterliche Heer
für einen Leser, der bei dem ersten anfängt! — mit den künftigen
heraus und glaube damit wenigstens 10,000 rtl. gewinnen zu können.
Übrigens nehm’ ich immer mehr ein als ich ausgebe.


Die Gräfin sprach mit mir über die Witwenkasse später als Ihr 55,25
Brief. Wenn Sie den Eintrit in diese noch nöthig finden: so wil ich
gern alles dazu geben — Zeugnisse und Geld — was gefodert wird;
und ich erwarte darüber blos Ihren Rath. — Nie konte mir die mo
ralische Möglichkeit eines auch nur eintägigen Zusammenwohnens mit
Ahlefeldt einfallen; ich glaubte bisher, daß ich den ersten Tag nach 55,30
der Religions Zeremonie zu meinem ersten Reisetag machen und so
die erste Maiwoche der Liebe unterwegs verleben müste. Ihre Güte
zeigt mir einen Ausweg; über welchen wir indes, da er ein doppeltes
Auspacken fodert, noch weiter sprechen können.


Die Zeit der Abreise — im Mai —, und den Ort der Ankunft —55,35
Meinungen — hab’ ich Ihnen schon mündlich gesagt. — Blos die
Schwierigkeit, von den poetischen Verhältnissen der Liebe in die prosa
ischen derselben überzugehen, hat mich bisher von diesen Eröfnungen56,1
gegen Sie oder Caroline abgehalten. Ich danke Ihnen herzlich für
die Güte und Freimüthigkeit der Ihrigen. — Meine Liebe und Achtung
für Sie ist so gros, daß sogar meine Verhältnisse nichts neues dazu
sezen konten als blos die Dankbarkeit. — 56,5


Jean Paul Fr. Richter

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Berlin, 15. März 1801. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IV_99


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 103. Seite(n): (Brieftext) und (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 4 S. 4°. K (nach Nr. 96): Meier 15 M. J: Nerrlich Nr. 113. B: IV. Abt., IV, Nr. 102. 55, 5 und 2jährige Zinsen] nachtr. aus seit 2 Jahren H 9 6] aus 60 H 11 oder 500] nachtr. H 15 in Leipzig] aus von mir H 28 darüber] aus über diese H 30 ersten] nachtr. H 31 Religions] nachtr. H 56, 1 hat] hab’ H

Mayer äußert in B, wie schon vorher der Gräfin Schlabrendorff gegenüber, den Wunsch, seine Tochter auf seine Kosten in die preußische Witwenpensionskasse einzukaufen, da ihr elterliches Vermögen nicht ausreiche, ihre Zukunft sicherzustellen, und er über Jean Pauls Vermögenslage bisher noch nicht informiert sei. Er bittet um Beibringung der dazu nötigen Zeugnisse, ferner um bestimmte Erklärung über seinen künftigen Wohnort und den Termin der Hochzeit. (Ernestine Mayer fragt am 13. März 1801 aus Leipzig bei ihrem Vater an, was denn aus Karolinens Heirat werde; auch dort spreche schon die ganze Welt davon, daß nichts daraus würde.) 55, 5 Altenburger Bank: s. Bd. III, Nr. 142, 108,27. 7 Schuldverschreibung: s. Bd. III, Nr. 430, 312,24f. 8 Herder: s. Bd. III, Nr. 430, 314,15f. Ahlefeldt: s. Bd. III, Nr. 521, 374,25. 9 Liebmann: s. Bd. III, Nr. 466, 334,30. 12 geliebter Freund: Christian Otto, s. 290, 1ff. 15 naher Verwandter: Samuel. 20–23 opera omnia: vgl. Bd. III, zu Nr. 52. 28–34 Vgl. B: „Da es auch der Wohlstand nicht erlaubt, daß meine Tochter in Ihrem mit H. v. Ahlefeldt gemeinschaftlichen Logis nach der Hochzeit bis zur Abreise verweile, so habe ich dafür gesorgt, indem meine Tochter mit Ihnen das ... Logis ihrer verstorbenen Mutter bewohnen, und von dort mit Ihnen abreisen kann.“