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Korrespondenz

Von Jean Paul an Friedrich Immanuel Niethammer. Bayreuth, 8. Juli 1811.

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Bayreuth d. 8. Jul. 1811

Verzeihen Sie, verehrtester Herr Oberkirchenrath, einer warmen Bitte eine kurze Nachricht. Beide betreffen das künftige Schicksal des hiesigen Profess. Wagner bei der Besetzung zweier erledigten Professuren. Es ist nur das kleinere Lob, wenn ich sage, daß er eine gute „Anthropologie“, eine „Logik“, eine „Religionslehre“ und „Beobachtungen und Bemerkungen über die Erziehung des Menschen „durch die bloße Natur“ herausgegeben. Sein größtes ist sein mit Lehrer-Wärme und Treue angewandtes Talent für Erziehung und Unterricht. Da er in Sprachen und überall die Saite langsam zum rechten Tone hinauf stimmt und also die Gefahr vermeidet, zu überstimmen oder zu zersprengen: so thut er alle seine Schritte nur vorwärts, wie ich an meinem eignen 8jährigen Sohne finde, den er blos täglich 2 Stunden in Latein, Geschichte und Geometrie unterrichtet. Er hat die höchste Begeisterung seiner Zöglinge für sich, ob er gleich (oder vielmehr eben darum) die Strenge der ältern Lehrer, nicht die Schlaffheit der neuern hat, welche jeden Caca du Dauphin ad usum Delphini zuzubereiten wissen. Aus den öffentlichen Prüfungen seiner Primaner, Sekundaner, Terzianer geh’ ich nie ohne ein erhebendes Gefühl heraus, das ihnen und dem Vaterlande Glück wünscht. Sein Wunsch nun ist, daß er bei den neuen Beföderungen (ähnlich seinen Schülern) hinauf rücke. Zum Glücke trag’ ich diesen Wunsch einem Manne vor, bei welchem sich zwei sonst nicht immer verbundne Dinge, in seltenem Grade vereinigen, Einsicht und Einfluß. —

Ich weiß nicht, ob mein Freund Jacobi Ihnen meine Fürsprache für Knippenberg mitgetheilt, welcher als Religionslehrer, der bei Fellenberg in der Schweiz 72 Schulmeister gebildet, Empfehlung verdient. —

In der nahen 2ten Auflage der Levana werd’ ich die Freude genie ßen, mit Ihrem trefflichen alt-ächten Buche über Humanismus etc. recht warm eins zu sein.

Leben Sie froh in Ihrem fruchtbringenden Kreise.


Ihr ergebenster Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Friedrich Immanuel Niethammer. Bayreuth, 8. Juli 1811. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=IX_13


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 9. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1964. Briefnr.: 14. Seite(n): 9-10 (Brieftext) und 26 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: ehem. Dr. Ludwig Döderlein, München. 4 S. 8°. K: Bd. VI, Nr. 504†. J: Sinn und Form, 11. Jg. (1959), Nr. 2, S. 213. 9,32 8jährigen] nachtr. 10, 10f. bei Fellenberg] nachtr.

9, 25—27 Wagners Werke s. Register; vgl. I. Abt., XII, 400 (Levana § 156). 10, 2 öffentliche Prüfungen: vgl. Persönl. Nr. 173. 10 Knippenberg: s. Bd. VI, Nr. 499 und 507. 13—15 Vgl. I. Abt., Bd. XII, 73,29ff.