Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 27. August 1781.
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Ich wünsche mir keinen solchen Brief mehr von Ihnen, wie der lezte
war; mit Furcht erbrech’ ich ieden, und immer komt eine
unangenehme 12,30
Post mit der andern. Der lezte Brief ist
fast ganz vol. Dies Mensch,
deren Namen man verfluchen solte, tut Ihnen ia einen Tort nach
dem 13,1
andern an. Das ist gar zu arg, was Sie mir geschrieben
haben; ich
wundre mich, wenn Sie nicht krank darüber geworden
sind. Aber wenn
sie dieses noch einmal tut, so halt ich es für
das beste, wenn Sie tüchtige
Zeugen, die es gehört haben,
aufrufen und die Kanaille verklagen.13,5
Solche Grobheiten
können Sie unmöglich leiden. Das ist gar das
Fatalste, daß Ihnen
der Aktuar das Qua[r]tier aufgesagt hat.
Ich weis
nicht, ob es gut ist, wenn Sie nach Hof ziehen. Den Hauszins
ersparen
Sie — das ist auch das einzige. Aber hernach wird Ihnen der
Aktuar
nicht mehr dienen; und er kan es nach den Gesezzen nicht.
Und in Hof 13,10
finden Sie gewis keinen solchen guten
Advokaten. Ferner, bedenken
Sie die Drangsalen, die Ihnen
dieses grobe Mensch antun würde, die
Schimpfworte, welche Sie täglich von ihr hören müsten; und dann
das
Riedelspak, welche Plagen würden Sie nicht von denen
auszustehen
haben! — Doch Sie können es überlegen. Schreiben Sie mir, wenn
13,15
Sie ausziehen müssen. — Meine Weste hab’ ich noch
nicht machen
lassen. Aber Sie brauchen mir keine Leinwand zu
schikken; ich werde sie
mir noch lange nicht machen lassen, weil sie sich zu meinem
Bieber nicht
schikt. Dafür schikken Sie mir lieber feine
Oberhemde, keine Unter
hemde brauch’ ich
nicht; aber iene müssen à la Hamlet gemacht sein.
13,20
Bei Ihnen wird dies niemand verstehen; das heist
nämlich, forn bei der
Brust müssen sie offen sein, daß man den
blossen Hals und die Brust
sehen kan; das ist hier Mode. — Da
haben Sie wol getan, daß Sie
meinen Brief an Stadsyndikus, dem
Aktuar nicht gewiesen haben. —
Wegen meinen Brüdern wil ich im nächsten Briefe schreiben; das
13,25
können Sie ihnen voraussagen, daß ich iedem in iedem
Monat Geld
schikken würde — wenn ich es nämlich hab, und wenn
sie fleissig sind. —
In drei Wochen schreib’ ich nicht;
vielleicht schreib’ ich darnach was
Gutes und Angenehmes; auch
schreib’ ich in 3 Wochen weder an Rektor
noch Pfarrer noch Aktuar; ich habe meine Ursachen dazu.
Beiläufig
13,30
schreiben Sie mir, was die Aktuariusin oder ihre
Christiana so von
neuer Ware nötig hat; ich möcht’ ihr gern zur Messe ein
Geschenk
machen, wenn ich nämlich — Geld hab. Ich bin
Und a propos schreiben Sie mir was Sie von neuer Ware nötig 14,1
haben; dan kauf’ ich Ihnen was rechts Neumodisches, wenn ich näm
lich — Geld hab.
sur la Saale. Abzugeben in Hof, bei Kuhn’s Witwe, in der Kloster- 14,5
gasse.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 27. August 1781. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_10
Kommentar (der gedruckten Ausgabe)
SiglenH: Goethe- u. Schiller-Archiv. 1 S. 2°; Nachschrift und Adresse auf der Rücks. Vgl. Wahrheit 3,195; Schneider S. 232f. 13,11 Advokaten] danach gestr. nicht 26 in iedem] aus das 28 darnach] aus dan
Über Jean Pauls Mutter vgl. die Stammtafel am Schluß des Bandes. Jean Pauls Briefe an sie sind mit wenigen Ausnahmen (Nr. 27) 1885 durch Schenkung aus dem Nachlaß ins Goethe- u. Schiller-Archiv gelangt; von ihr haben sich nur wenige Zeilen erhalten. Sie war nach dem Tode ihres Mannes (1779) in wachsende Bedrängnis geraten. Ihr kürzlich (1780) verstorbener Vater hatte ihr (als Nacherbin seiner Frau) sein Haus in der Klostergasse in Hof vermacht; das Testament wurde aber von dem Advokaten Riedel, dem Mann ihrer jüngeren Schwester, angefochten. 12, 31 Dies Mensch: wohl die 51, 30 und 113, 5 genannte „Riesin“. 13, 20 à la Hamlet: vgl. I. Abt., V, 346,7. 24 Stadtsyndikus: Ruß, s. Nr. 4†. 28–30 Diese geheimnisvolle Hindeutung wird durch den folgenden Brief erklärt.