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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann Wilhelm Vogel. Hof, 11. September 1785.

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[ Hof, 11. Sept. 1785 ]
174,5

Mit dem grösten Dank send’ ich Ihnen 2 von Ihren Büchern zurük,
die Sie mir so willig geliehen wie andern Ihre Kentnisse; aber ich wil
nicht so undankbar sein wie diese andern, die in ihre holen Köpfe wie die
Bären in den Hut Almosen einsamlen und die gleichwol eben diese
leren Köpfe den Klienten für volle verkaufen, wie et[wan] Schul174,10
knaben mit verschlossener Hand, in der kein Heller ist, etwas in den
Klingelbeutel einzulegen scheinen..... in dessen Buche Blumen die
Früchte mehr ersezen als verschönern sollen. Dafür verräth er ein so
menschenfreundliches Herz und soviel Gefühl für die Leiden der
Menschheit, daß ich vermuthen mus, er ist gar kein rechter Jurist: denn 174,15
ein guter Jurist zeichnet sich alzeit durch ein gutes dauerhaftes und
steinhartes Herz aus; daher würde man Sie, da Sie offenbar nur ein
weiches menschenliebendes, aber kein iuristisches Herz besizen, für
keinen volkommen Juristen gelten lassen können, wenn Ihnen nicht Ihr
Kopf diesen Namen wieder erwürde. O du arme Menschheit, wenn 174,20
ich alle drei Fakultäten zu deiner Verwundung zusammentreten sehe,
wie der Theolog mit der Inquisizionsfakkel deine Glieder sengt und
brät, wie der Jurist das Schwerdt der Gerechtigkeit gegen deine Hand
[?] und deinen Hals erhebt und wie der Arzt mit der Sense des Todes
die niedre Gerichtsbarkeit über die übrigen Glieder exerziret: so kan ich 174,25
mich nicht enthalten, auszurufen: das Aderlasmängen im Kalender hat,
so schlim es mit ihm steht, doch nicht soviele Wunden wie du, arme
Menschheit! —

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann Wilhelm Vogel. Hof, 11. September 1785. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_115


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956. Briefnr.: 115. Seite(n): 174 (Brieftext) und 465 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K (nach Nr. 116): An Vogel in Schwarzenbach den 11 Sept. i: Wahrheit 4,13.

174 , 26–28 Vgl. Swifts Works (1778) VI, 5: „... to give my reputation as many wounds as the man in the almanack...“