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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann Gottfried von Herder. Hof, November 1785.

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Nicht abgeschickt
P. P.

Mich kränket selbst ieder Brief, den ich in der Furcht des Misfallens an Sie schreiben mus. Ach ich hofte, mir durch mein Manuskript den Weg zur nähern Bekantschaft mit dem Man zu bahnen, den ich so liebe und bewundere; und iezt mus ich durch iedes neue Blat, das ich seinetwegen ablasse, Sie noch mehr von mir abzuwenden fürchten. Aber was kan ich nun dafür, daß ich die Fortsezung meines Fehlers nicht aufhalten kan? Denn ich mus Sie bitten mir zu antworten, fals Sie mein Mskpt gar nicht bekommen hätten, damit mir nicht durch die Länge der Zeit der Weg, es wieder aufzufinden, ganz versperret werde — oder fals es Ihnen misfallen hätte, damit ich es verbessere oder verschikke — oder fals Sie an dem Glükke desselben arbeiteten, damit ich Sie nicht mit einer undankbaren Ängstlichkeit beleidige und mich nicht damit quäle. Wäre meine Bitte zu zudringlich gewesen: s werden Sie sie doch nicht so hart durch ein längeres Stilschweigen, und durch eine längere Verbalterrizion bestrafen wollen.

Mir that es alzeit wol, wenn ich die Sonne mit einem menschlichen Gesicht im Kalender gemalet sah. Diese Art von Menschwerdung milderte ihren Glanz und brachte sie dem Menschen näher..... Aber Sie haben ia ein Menschenangesicht! und vielleicht doch auch für mich, ungeachtet man sonst dem Satiriker, dem man, weil man das Geschäft mit der Denkungsart vermengt, kein menschenliebendes Herz zutraut, immer mit einer Art von Kälte hilft, wie die Kinder, die mit Zähnen geboren worden, schwer Ammen bekommen.

Leben Sie wol und vergessen Sie meine Bitten nicht. Wenn Sie wüsten, wie viel und wie vieler Glük auf ihrer Erfüllung beruht!


Hof im Voigtlande den Nov. 1785.
J. Paullus Fried. Richter

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann Gottfried von Herder. Hof, November 1785. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_120


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956. Briefnr.: 120. Seite(n): 177-178 (Brieftext) und 466 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 3 S. 8°; 2. u. 3. S. zum Teil verschmiert, auf der 4. S. nicht zugehörige Notizen. J: Wahrheit 3,339 („an eine sehr geachtete Person“).

Der Adressat ergibt sich aus Nr. 116. Wohl noch im Oktober geschrieben und nicht abgeschickt, weil inzwischen Herders Antwort vom 18. Oktober eintraf, daß er das Manuskript zu seinem Bedauern nicht habe unterbringen können. Vgl. Nr. 232. 178, 3–5 Vgl. I. Abt., I, 344,16–19, V, 4,9–12.