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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann Wilhelm Vogel. Hof, 28. Dezember 1785.

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[ Hof, 28. Dez. 1785 ]

Den Vorwurf der übertriebnen Empfindlichkeit kan ich nicht besser widerlegen als daß ich über ihn und Ihren Brief nicht böse werde. Ich vergebe Ihnen alles, weil ich gewis weis, daß Sie unendlich besser sind als Ihr Brief. — Aber lieber Himmel! ich bitte dich, leite künftig meine Feder, daß sie die Metaphern sehr flieht. Wenigstens in Briefen [?] und in gewissen Briefen gehet dan alles weit besser. — Die misverstandene Metapher entzweiet uns.... Es wäre Undankbarkeit, wenn man diese Freigebigkeit mit einer Klage darüber vergelten wolte.... Lieber Got, ich sol an Sie schreiben, nicht wenn die Vernunft, sondern wenn die Etiquette es begehret: Sie wolten den Anfang nicht machen, ungeachtet Sie Stof zum Briefe hatten, blos weil Sie nicht von mir weggereiset sind; aber ich sol den Anfang machen, ungeachtet ich nichts zu schreiben habe, blos weil ich von Ihnen gieng. Wenn haben meine Handlungen Sie iemals zu dem Verdachte berechtigt, daß ich nach der Etiquette — den symbolischen Büchern derer, die nach fremden Fäden springen und nach der Pfeife des Marionetspielers tanzen — handeln würde?... Wo ist der Freund, der mich in sein Haus einlud? der vol Liebe gegen mich war? der einmal weinte, da ich von ihm nach Leipzig reiste? Ach er ist von einem Manne ver dränget worden, der gegen mich sich nicht bitter genug auszudrükken vermag und der sogar im Obigen [?] so zu mir saget: „wenn ich etwan noch einige bittere Ausdrükke gegen dich vergessen habe: so thue mir den Gefallen und ergänze sie selbst; ich wil hoffen, daß du als einer, der sich in dem Verhöhnen nicht wenig übt, schon so viele Stachelreden zu meinen hinzuzufügen verstehst, daß es dich etwan stark genug ver wundet.“ Zorn! der du meinen guten Freund so sehr misleiten kanst; ich kan dich nicht mehr leiden und du darfst nicht hoffen, mich gleichfals zu bethören und mir gegen ihn die Hand zu führen. — Darum wollen wir einander alles vergeben und wenn ich Ihren Brief vergebe, so thu’ ichs nicht umsonst: denn Sie haben mir auch etwas zu vergeben etc.... Hat sich Ihre Abneigung gegen mich auch Ihren lieben An gehörigen mitgetheilt: so verschaffen Sie mir die alte Liebe wieder und lassen Sie den, der so lange in Ihrer Familie [?] der Isaak war, nicht länger den gehasten Ismael sein.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann Wilhelm Vogel. Hof, 28. Dezember 1785. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_135


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956. Briefnr.: 135. Seite(n): 190-191 (Brieftext) und 470 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K (nach Nr. 133): An Akt. Vogel den 28 Dez. i: Wahrheit 4,30. B: IV. Abt., I, Nr. 47.

Vogel hatte Richters Bemerkung vom „Maifrost“ (184, 1) übelgenommen und auf Richters Vorwurf, daß er nicht geschrieben habe, erwidert, es sei doch Sache des Wegreisenden, damit den Anfang zu machen. Im Postskript seines Briefs hieß es: „Sollte ich über das Kapitel des Karmeliters [vgl. 183, 27] und des Maifrost die Sprache nicht recht getroffen haben, so sagen Sie sich alles dieses besser. Denn Sie, als ein Satirenschreiber, … müssen dies kräftiger machen können.“ 190, 28f. Vgl. 8, 33. 191, 1f. Zorn: vgl. 173, 26ff.