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Korrespondenz

Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 1. Dezember 1781.

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Geliebte Mama!

Ich erwarte täglich Briefe von Ihnen; ich hoffe immer, um von
Ihnen Nachricht von dem zu empfangen, was zeither vorgegangen 33,15
ist, und das Geld zu erhalten, um das ich Sie gebeten habe. Allein
ich erfare, ich sehe nichts von Ihnen — Sie lassen mich zwischen Furcht
und Hofnung. Ich hab’ Ihnen schon neulich um Geld geschrieben;
und da hab’ ich schon viel geborgt gehabt; iezt hab’ ich noch keines, ich
borg’ also immer fort. Aber auf was sol ich denn endlich warten? Sein 33,20
Sie so gütig und verschaffen Sie mir Rat. Ich mus doch essen, und kan
nicht unaufhörlich beim Trakteur borgen — Ich mus einheizen; wo sol
ich aber Holz bekommen, ohne Geld? Ich kan ia nicht erfrieren. Für
meine Gesundheit kan ich überhaupt nicht sorgen; ich habe weder
Morgends noch Abends etwas Warmes. Ich habe Sie um 20 rtl.33,25
sächs. gebeten, iezt ist schon lange; wenn ich’s bekommen werde, so
werde ich kaum das bezalen können, was ich schon schuldig bin.
Glauben Sie nicht, daß ich Sie unnötiger Weise um Geld bitten
werde, um verschwendrisch leben zu können — Ich weis wie nötig
Sie es iezt brauchen. Allein helfen Sie mir nur iezt; ich denke, Sie 33,30
sollen mir nachher mit Gottes Hülfe, lange nicht helfen dürfen. Es mus
gehen; vielleicht hilft mir das Mittel, das ich im Kopfe habe, zu
Gelde. Allein iezt mus ich Geld haben; ich wüste warlich nicht, was ich
anfangen solte, wenn Sie mir entweder keines schikten, oder mich
doch lange warten liessen. — Nun was machen Sie denn iezt? Sind 33,35
Sie schon in Hof? und wie gehts, und wie gefält’s Ihnen darin? 34,1
Was macht der Aktuarius in Schwarzenbach? was machen meine
Brüder und mein Hund? Und wie steht’s iezt mit Ihrem Streite?
füret ihn der Aktuar noch, oder wer hat ihn? gewinnen oder verlieren
Sie? und haben Sie schon geschworen? — Ich erwarte lauter Neuig34,5
keiten von Ihnen; ich wünsche, daß sie nur nicht traurig sind. Schrei
ben Sie ia gleich; ich wäre sonst in doppelter Furcht, sowol wegen des
Geldes, als auch wegen Ihnen. Nemen Sie Ihre Gesundheit in Acht;
sein Sie standhaft, und ertragen Sie die Leiden, die Sie vielleicht
noch in grosser Anzal erwarten, mit Geduld und halten Sie meine 34,10
Brüder zum Fleis an. Ich hoffe eine Antwort mit der ersten Post, und
mit dem Gelde — denn warlich, ich schreib’s noch einmal, ich wüste
nicht was ich anfangen solte — Leben Sie wol und vergnügt. Ich bin



Ihr
geh. Sohn 34,15
Leipzig den 1 Dezemb. 1781.
J. P. F. Richter

[Adr.] A Madame Madame Richter à Hof. Abzugeben bei Kuhn’s
Witwe in der Klostergasse.
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 1. Dezember 1781. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_18


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956. Briefnr.: 18. Seite(n): 33-34 (Brieftext) und 427 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 1 S. 2°; Adresse auf der Rücks. J: Wahrheit 3,308×. 33,32 haben