Von Jean Paul an Christian Otto. Töpen bei Hof, 10. Januar 1787.
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Wenn du von deiner Reise nach dem goldnen Vliesse zurük bist:
so mach’ eine nach Töpen und erzähle mir beide. Maitre des
plaisirs
et de langue.... Die Stadtneuigkeiten werden mir durch
Dorf
neuigkeiten schlecht ersezt. Der
wichtigern — ich meine solche, die ieden
vernünftigen Man in
Bewegung sezen — giebts nur einige. — Hoch223,15
zeit: den [9.?]
kopulirte man, tanzte man, blies man und schläft man:
heute
abend reden wir alle mit wahrer Lust davon. Allein der Bräutigam
macht sich nichts daraus sondern sezt sich hin und sagt: wenn
Adam, der
noch unschuldiger war als ein Kind, aus dem Paradiese in 32
Jahren,
nach Rivinus in 3 Wochen muste: wie viel
[eher] ich, der ich so viele
223,20
Sünden habe... Und so spielen wir alle unsre Haupt- und
Staats
akzion bald auf dem Nazional-
bald [auf dem] Familientheater und
machen uns falsche Wunden und Bäuche und halten das Vogelnest,
worin wir wachsen, für ein indianisches.... Briefzehend.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Christian Otto. Töpen bei Hof, 10. Januar 1787. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_190
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K: Den 8 [!] Jenner 87. An Otto. i: Wahrheit 4,87×. A: IV. Abt., I, Nr. 66. 223,22 Familientheater] davor gestr. Haus
Georg Christian Otto (vgl. die Stammtafel in Bd. II) wird jetzt nach Oerthels Tode Richters intimer Duzfreund und Hauptkorrespondent. Aus den achtziger Jahren sind aber nur wenige Originalbriefe erhalten. Der von Otto vorbereitete, nach seinem Tode von seiner Witwe Amöne, geb. Herold, in Gemeinschaft mit Ernst Förster herausgegebene „Briefwechsel Jean Pauls mit seinem Freunde Christian Otto“, Berlin 1829—33, 4 Bände, beginnt erst mit dem Jahre 1790. In Jean Pauls Briefen (Berlin JP bis auf einige, die Brix Förster dem Goethe- u. Schiller-Archiv überwiesen hat) hat Otto manches korrigiert oder gestrichen, vieles am Rande angestrichen. Nerrlich hat sie 1902 in Auswahl und mit Kürzungen neu herausgegeben. Von Ottos Briefen sind wichtige Stücke beseitigt und durch gekürzte und abgeänderte Abschriften von Amönens Hand ersetzt worden; von 1800 ab fehlen die Handschriften ganz. 223, 15ff. Das Töpener Kirchenbuch verzeichnet unterm 9. Januar 1787 die Trauung eines Leinewebers mit einer Wirtstochter; das Datum von K scheint also nicht zu stimmen oder nur den Anfang des Briefs anzugeben. A ist am „Mittwoch“ geschrieben, d. i. am 10. Januar, vermutlich am Empfangstage; es heißt darin: „Dem Ungelehrten empfiehlt sich sein gelehrter Freund, der von der Reise glüklich zurükgekommen, das goldene Vließ aber nicht mitgebracht hat … Morgen reise ich nebst dem Maitre des plaisirs [Albrecht Otto?] nach Hirschberg und dann werden wir dich sprechen und du wirst den Briefzehend mündlich erhalten...“