Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 21. August 1782.
Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.
Sie liessen mich auf Ihre Antwort lange hoffen, aber was noch
[
Lücke
]
umsonst gehoft haben. Ihr Brief ist so leer an Trost für mich, 47,35
w
[
Lücke
]
Doch ich wil nur Ihren Brief von vorne anfangen zu 48,1
beantworten.
[
Lücke
]
Bruder, der so hülflos und krank in der Welt
herumirt — was wird
[
Lücke
]
Wenn er nur sich besser aufführt, wenn
er gesund wird; dan
möchte es
[
Lücke
]
weis nicht ob, er sich durch sein
ieziges Elend wird
bessern lassen. Ich
[
Lücke
]
ihn zehnfach und wünsch’48,5
ihm bald glükliche
Veränderung. Aber daß Sie sich [der
Nach]richten
von ihm wegen, bald in den Tod
legen, und abhärmen, und abgrämen,
da handeln Sie nicht billig
gegen Sich selbst, und noch weniger gegen
meine andern Brüder.
Diese brauchen doch am meisten Ihre Hülfe —
und um diese Hülfe bringen Sie sie, wenn Sie sich durch Gram Ihr
48,10
Leben abkürzen. Gewöhnen Sie sich doch Geduld an,
und erinnern Sie
sich alzeit, daß es allemal eine Sünde ist,
sich dem Schmerze ohne Ziel
und Maas zu überlassen. — 87 fl.
für Ihre Bücher ist eben nicht viel.
— Mein Rat wegen der
Verkaufung Ihres Wohnhauses ist allerdings
gut. Die
Verdrieslichkeiten in Schwarzenbach, werden nicht gerade
48,15
auch in Hof sein, und es wird doch Leute geben, bei
denen es sich gut
zu Miethe wohnen läst. Bedenken Sie die Steuern und Gaben, die
Sie
iezt geben müssen. Rechnen Sie dazu, daß 800 fl. iärlich 40
fl. Interesse
tragen; ferner daß dieses baufällige Haus von Tag
zu Tag baufälliger
wird, und also immer mehr von seinem Werte
verliert, oder wenigstens 48,20
mit vielen Kosten wiederum
reparirt wird. — Was hat denn den
Rektor in Schwarzenbach
bewogen, Ihnen die par Gulden auf-
zusagen? — Sie glauben, ich lege Kleidung
ab; ia wie wil ich dies
können, da ich mir keine neue
anschaffen kan — ich habe wol zerrissene
Kleidung aber keine
abgelegte; zu Ende des Briefs komm’ ich wieder 48,25
darauf.
Ich weis nicht, wie Sie glauben können, daß der Gotlieb hier
sein Glük machen könne. Erstlich kostet es Ihnen ia mehr, ihn
mit
Wäsche und Geld zu versehen; ferner fordern hier die
Kaufleute für das
Auslernen eben soviel wo nicht mehr, als in
Hof — und rechnen Sie
das sächsische Geld. Er hat übrigens keine Sitten; und diese
müste er
48,30
hier haben. Es wird doch wol um Hof herum, oder in
Baireut, oder
im ganzen Land ein Kaufman anzutreffen sein, der ihn annimt.
Wäre
dieses nicht, so müste er freilich zu einer andern
Lebensart greifen: denn
hohe Zeit ists doch schon, daß er zu
einer greife. — Nun komm’ ich
auf mich selbst. Wenn Sie nur
wüsten, wie ungern ich daran gehe, Sie 48,35
mit Geldbitten
zu belästigen! Aber könte ich anders! Und doch wil
ich gar
nicht viel, weil ich Ihren Geldmangel kenne, und weis, wie
viele Unterstüzung meine Brüder noch brauchen. — Ich wil nicht von
49,1
Ihnen Geld um meinen Speiswirt zu bezalen, dem ich 24 rtl.
schuldig
bin, oder meinen Hauswirt, dem ich 10 rtl., oder andre Schulden,
die
über 6 rtl. ausmachen — zu allen diesen Posten verlang’ ich von
Ihnen
kein Geld; ich wil sie stehen lassen bis zu Michael, wo
ich diese Schulden 49,5
und die noch künftig zu machende,
unfehlbar zu bezalen in Stand gesezt
sein werde — Also zu dieser
grossen Summe verlange ich von Ihnen
keine Beihülfe — aber zu
folgenden müssen Sie mir Ihre Hülfe
nicht abschlagen. Ich mus
alle Wochen die Wäscherin bezalen, die
nicht borgt, ich mus zu
früh Milch trinken; ich mus meine Stiefel vom 49,10
Schuster
besolen lassen, der ebenfals nicht borgt, mus meinen zerisse
n[en] Biber
ausbessern lassen vom Schneider, der gar nichtborgt — mus
der
Aufwärterin ihren Lohn geben, die natürlich auch nicht borgt —
und dies mus ich nur iezt alles bezalen, und bis auf Michael noch weit
mehr. Nun sehen Sie, zur Bezalung dieser Sachen werden Sie mir
49,15
doch wol hülfliche Hand leisten können — ich wüste
gar nicht was ich
anfangen solte, wenn Sie mich stekken
liessen. Glauben Sie denn, daß
ich Sie mit Bitten plagen würde,
wenn ich es nicht höchst nötig hätte.
Ich mag ia auch nicht
viel; acht Taler sächsisch Geld sollen mich zu-
frieden stellen, und gewis werd’ ich dan
Ihre Hülfe nicht mehr so nötig 49,20
haben. Denn das dürfen
Sie nicht glauben, daß mein Mittel, Geld
zu erwerben, nichts
tauge; weil es etwan noch nicht angeschlagen hat.
O Nein! durch
eben dieses getraue ich mich zu erhalten, und es komt
nur auf
den Anfang an. Von diesem Mittel mehr zu schreiben verbietet
mir der enge Raum meines Briefs; sonst wolte ich Ihnen deutlich 49,25
zeigen, daß man mit Informazionen hier wenig fortkomt, weil es
selten eine giebt, und daß die Versprechungen des H. Rektors
in
Schwarzenbach davon, nicht viel besser als erdichtet sind.
Übrigens
verlass’ ich mich darauf, daß Sie mich nicht länger in der Not
stekken
lassen, und mir mit dem nächsten Posttag schreiben. Acht Taler, wie 49,30
gesagt, verlang’
ich blos, und diese werden Sie doch auftreiben
können. —
Schreiben Sie mir ia bald; ich bin
Leipzig den 21 August 1782.
P. S. Kaufen Sie ia keinen Ovid; ich brauche meinen nicht; der
49,35
Örtel hat nur vergessen, ihn mit einzupakken neulich,
und auf der Post
wolte ich ihn wegen des zu grossen Porto nicht schikken.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 21. August 1782. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_29
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 1 S. 2° (defekt); Adresse auf der Rücks.: A Madame Madame Richter à Hof. In der Klostergasse abzugeben. J: Wahrheit 3,315 ×. 48 , 14 ihres 49 , 3 meinem 7 grosser 8 ihre 14 f. noch weit mehr] aus erst? 19 acht Taler] von fremder Hand verb. in achtzig Taler und gestr. 30 nächstens Acht Taler] ausradiert
48 , 2 ff. Schneider (S. 250) vermutet, Adam sei desertiert; vgl. aber IV. Abt. (Br. an J. P.), I, Nr. 26 und 49.